Kritik zu Lakeview Terrace

© Sony Pictures

Wer es einmal zu einem Haus im noblen Lakeview-Terrace-Viertel von Los Angeles gebracht hat, für den spielt Hautfarbe keine Rolle mehr, oder? Der Theater- und Filmregisseur Neil LaBute erzählt in Thrillerform von der Brüchigkeit der Toleranzfassade

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Chris und Lisa sind ein sympathisches Paar: Er hat einen guten Job bei einer ökologisch korrekten Supermarktkette, sie entwirft Kindermode an ihrem Computer, dessen Screensaver sie und ihren Mann in inniger Umarmung zeigt. Sie lieben sich, und Chris' größtes Laster besteht wohl in der abendlich heimlich im Auto gerauchten Zigarette. Dass Lisa schwarz und Chris weiß ist, spielt im aufgeklärten Los Angeles von heute nun wirklich keine Rolle mehr. In Neil LaButes Film allerdings schon.

Hier spielt alles eine Rolle: Chris' achtlos aus dem Fenster geschnippte Kippe, der Liebesakt des Paares im hauseigenen Pool, die TV-Nachrichten über die von den Santa-Ana-Winden angefachten Feuersbrünste. Denn Chris und Anna werden beobachtet, wohlwollend von Regisseur Neil LaBute, feindselig von ihrem Nachbar Abel. Lakeview Terrace ist eine gute Wohngegend, die östlich von Los Angeles vor die südkalifornischen Canyons gesetzt wurde. Der alternde Polizist Abel zieht hier als Witwer seine beiden Kinder groß. Er, der in Downtown L.A. täglich mit den Exzessen des Urbanen konfrontiert ist, pariert seine dortige Ohnmacht mit einem Kontrollwahn daheim und in der Nachbarschaft, in der er allabendlich als Ein-Mann-Bürgerwehr patrouilliert. Er ist so müde wie manisch. Und er ist schwarz und hält wenig von Weißen, die schwarze Musik hören und schwarze Frauen heiraten. Samuel Jackson gibt diesem bösen, resignierten Mann vor allem eines: Autorität. Er puffert das Blockwartgehabe Abels mit Charme, Gewaltbereitschaft und Unberechenbarkeit.

Mag auch rasch klarwerden, dass hier ein kalifornisches Traumhaus zum Alptraumort mutiert, so verwehrt sich LaButes Inszenierung dem raschen Abgleiten in allzu formelhafte Thrillerdramaturgie. Zu sehr interessiert ihn die sich verändernde Anatomie des amerikanischen Traumes bei erhöhter Temperatur. Das Haus, ja die ganze Anlage, ist auf wackligem Grund errichtet, sie eröffnet nicht nur den Blick auf die Natur, sondern die Natur blickt zurück, und das eher grimmig. Ob Ehe, Nachbarschaft, Ethnien oder Besiedlung: die Geschichte des Ortes erzählt sich entlang der Sollbruchstellen des Strebens nach Vereinigung. Und ein Bruch nach dem anderen erfolgt. LaButes dialog- und innenraumdominiertes Erzählen wird erhellt und erhitzt vom näher rückenden Lodern des Flammenmeers. Wo Kerry Washington als Lisa solide und süß die selbstbewusste Aufsteigerin verkörpert, ist es Patrick Wilson als Chris, der die größte darstellerische Leistung schultert. Vom netten Langweiler zum gereiften Langweiler. Dieser Reifung auf seinen Kevin-Costner-haften Zügen kann man eine Filmlänge bei der Arbeit zusehen. Anders als der Film, der sich gegen Ende doch den Regeln des Thrillergenres beugt, wird aus Wilsons Chris kein Mann, der rotsieht. Er verliert seine Naivität, nicht aber sein Staunen über diesen Verlust. Wenn das Feuer Lakeview Terrace schließlich, pünktlich zum Showdown, erreicht, bietet LaButes sorgfältige Regiearbeit selbst leider keinen Anlass mehr zum Staunen: Komplexe Studien amerikanischer Wirklichkeit, deren Subtext an erzählerische Konvention ausgeliefert wird, kennen wir aus dem Mainstreamkino gut genug.

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