Kritik zu Jim Knopf und die Wilde 13

© Warner Bros. Pictures

Dennis Gansel stellt sich in der Fortsetzung von »Jim Knopf und Lukas der Lokomotiv­führer« erneut der Herausforderung, aus Michael Endes stark von der Sprache inspirierter Fantasy einen echten Kinderabenteuerfilm zu machen

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Michael Endes spätere Werke »Die unendliche Geschichte« und »Momo« wurden schon in den 80ern fürs Kino adaptiert. Die Debütromane des Kinder­buchautors dagegen gab es lange nur im Fernsehserien-Format. Die »Live-Verfilmung« von Dennis Gansel aus dem Jahr 2018, der nun auch die Fortsetzung »Jim Knopf und die Wilde 13« auf die Leinwand bringt, lässt erahnen, warum Produzenten einen Bogen um die Geschichte über die »Insel mit zwei Bergen« machten – trotz ihrer unverstellbaren Popularität in Deutschland.

Schon die ersten Szenen erzeugen dieses seltsame Gefühl nach dem Erwachen aus einem Traum, dessen Bilder plötzlich verblassen. Gewiss, die Elemente der Handlung bleiben nahezu gleich. Lukas und Jim machen sich auf den Weg, um ein neues Problem zu lösen. Ein Leuchtturm muss her, damit Schiffe nicht an den Felsen von Lummerland zerschellen. Wer eignet sich besser für diesen Job als Herr Tur Tur? 

Die Figur des Scheinriesen veranschaulicht das Defizit der filmischen Umsetzung. Michael Endes literarische Fantasie funktioniert nämlich anders als konventionelle Fantasy, die trotz Magie und Zauberei meist an der Realität orientiert ist. Die Vier-Personen-Insel Lummerland mit ihren typisierten Figuren gehorcht dagegen der Logik des Traums. Auch die Geschichte um das Findelkind Lukas, das sich als Sohn eines der Heiligen Drei Könige erweist, verdeutlicht: Diese Fabel ist so zeitlos wie das Unbewusste von Sigmund Freud. Für Endes Sprachbilder – etwa die Spiegelwüste – findet Gansels Adaption aber kaum eigenständige Entsprechungen.

Diese Diskrepanz verdeutlicht zum Beispiel jene Figur, der Ende den lautmalerischen Namen Sursulapitschi gab. Die Meerjungfrau symbolisiert ja eigentlich eine sexuelle Fantasie. Selbst in der kindgerechten Adaption der Augsburger Puppenkiste hat sie weibliche Brüste; in der Realfilm-Adaption reichen Sonja Gerhardt als Wassernixe die Fischschuppen bis zum Hals.

Diese Sterilität zieht sich symptomatisch durch die Filmbilder. Die abenteuerliche Reise in ein »Land, das es nicht geben darf«, erscheint schablonenhaft. Unterdessen situiert sich der Film im Spannungsfeld zwischen zwei Extremforderungen. Auf der einen Seite erneuern besorgte Pädagogen den bereits an die Buchvorlage gerichteten Rassismus-Vorwurf: Die Darstellung des schwarzen Findelkinds Jim Knopf sowie der Chinesen bediene ethnologische Klischees. Auf der anderen Seite erweckt die Beilegung des Konflikts zwischen dem Halb-Drachen Nepomuk und dem Scheinriesen den Eindruck, als hätte ein Anti-Diskriminierungsbeauftragter am Drehbuch mitgewirkt. 

Mit aufwendiger CGI ahmt der Film die Optik eines Puppentheaters nach. Trotz enormem produktions- und tricktechnischem Aufwand erscheint die Welt von Jim und Lukas wie eine Modelleisenbahn. Der Fernsehdarsteller Henning Baum als Lokomotivführer und der inzwischen nicht mehr ganz so junge Newcomer Solomon Gordon als Jim können in dieser blassen Welt kaum darstellerische Akzente setzen.

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