Kritik zu The Inspection

© X-Verleih

2022
Original-Titel: 
The Inspection
Filmstart in Deutschland: 
24.08.2023
L: 
95 Min
FSK: 
12

Autobiografisch inspiriert erzählt Elegance Bratton in seinem ersten Spielfilm von einem jungen Schwulen, der als Soldat bei der Marine hofft, seinem Alltag zwischen Obdachlosenheimen und einer homophoben Mutter zu entkommen

Bewertung: 5
Leserbewertung
5
5 (Stimmen: 1)

Dass Regiedebütant:innen sich für den ersten Film an der eigenen Lebensgeschichte orientieren, ist nicht nur sehr üblich, sondern auch naheliegend. Die Erfahrung zeigt allerdings auch, wie problematisch diese Nähe mitunter sein kann: genauso nahe wie die Versuchung, das Ganze allzu glatt zu polieren, liegt die, allzu sehr an Details zu klammern, die am Ende eher langweilen. Doch »The Inspection« von Elegance Bratton ist erfreulicherweise ein Film, dem es gelingt, beide dieser Fallen zu vermeiden.

Bratton, der zuvor Kurzfilme sowie die Doku »Pier Kids« inszeniert hatte, orientiert sich eng an seiner persönlichen Biografie, beschränkt sich aber auf einige wenige Monate. Sein Protagonist Ellis French (Jeremy Pope) lebt beim Einsetzen der Handlung in einer Obdachlosenunterkunft, die eigene Mutter (Gabrielle Union) möchte aufgrund seiner Homosexualität nichts mehr mit ihm zu tun haben. Als Ausweg aus seiner Situation hat der junge Mann beschlossen, sein Glück bei der Marineinfanterie zu versuchen. Doch das bedeutet, dass es erst einmal ein mehrwöchiges Bootcamp zu überstehen gibt, wo einem der Ausbilder (Bokeem Woodbine) schon am ersten Tag die Frage entgegenbrüllt, ob man Terrorist oder schwul sei.

Eindrücklich fängt Bratton ein, wie sehr sein Alter Ego in dieser militärischen Männerwelt unter Ausgrenzung und Unterdrückung zu leiden hat. Die meisten der Vorgesetzen sind mindestens gnadenlos, wenn nicht gar sadistisch; Ausnahmen wie der empathische Rosales (Raúl Castillo) bestätigen diese Regel nur – und werden für French prompt zum Objekt der Begierde. Kaum besser ist die Homophobie eines Großteils seiner Kameraden: die Tracht Prügel, die eine nicht zu verbergende Erektion unter der Dusche nach sich zieht, ist dabei noch nicht einmal unbedingt das Schlimmste. 

Doch der Regisseur und Drehbuchautor macht es sich nicht so leicht, diese Welt mitsamt ihren Strukturen bloß zu verteufeln. Dass der feingeistige, einfühlsame Protagonist hier trotzdem mehr Nähe und Halt erlebt als in seiner bisherigen Realität und letztlich so seine persönliche Rettung findet, wird unmissverständlich herausgearbeitet. Selbst wenn der Film mit der knallharten Ausbildung endet und die Tatsache, dass Bratton selbst bei den Marines schließlich erstmals mit Kameras und Filmemachen in Berührung kam, nur angedeutet wird.

»The Inspection« ist ein bisweilen ungeschliffener, unerbittlicher und emotional vielschichtiger Film, den Bratton beklemmend, aber mit viel Sinn für unerwartete Schönheit inszeniert. Dass er die Dialoge auf ein Minimum beschränkt, trägt ebenso dazu bei, dass die Geschichte einem dabei unerwartet nahe geht wie die darstellerischen Leistungen des Golden-Globe-­nominierten Jeremy Pope in der Haupt- und von Gabrielle Union in der alles entscheidenden, kleinen Nebenrolle. Beide waren nie besser als hier – und dass Bratton nach dieser Arbeit als große Hoffnung des US-Kinos gilt, scheint deshalb nur folgerichtig.

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