Kritik zu Im Feuer – Zwei Schwestern

© missingFILMs

In Daphne Charizanis Antikriegsfilm macht sich eine in Deutschland aufgewachsene Kurdin und Bundeswehrsoldatin im irakischen Erbil auf die Suche nach ihrer vermissten Schwester

Bewertung: 3
Leserbewertung
0
Noch keine Bewertungen vorhanden

Daphne Charizani ist Spezialistin für konzentrierte Drehbücher mit prägnanten Frauenfiguren. Gemeinsam mit Regisseurin Ina Weisse schrieb sie zuletzt das Drehbuch zu »Das Vorspiel« um eine Violinistin und Musiklehrerin im Leistungshamsterrad – eine maßgeschneiderte, ambivalente Figur für eine fantastisch aufspielende Nina Hoss. Ihr in der Sektion Perspektive Deutsches Kino bei der Berlinale uraufgeführtes Drama »Im Feuer – Zwei Schwestern«, bei dem sie die Regie und das Buch verantwortet hat, ist eine moderne Heldinnengeschichte: ein Migrationsdrama und Antikriegsfilm aus der Sicht von Frauen.

»Im Feuer – Zwei Schwestern« ist vor allem auch ein Film über Herkunft. Welche Privilegien sind damit verbunden? Gleich in der ersten Einstellung teilt sich die Welt in Freiheit und Abhängigkeit: Die Kamera von Falko Lachmund (»Kids Run«), ein Experte für flirrende sozialrealistische Poesie, fängt einen Vogel vor blauer Himmelskulisse ein, bevor sie herunterschwenkt zu einem Grenzzaun. Hier, in einem griechischen Flüchtlingslager an den Rändern der Festung Europa, trifft Rojda (Almila Bagriacik) ihre Mutter (Maryam Boubani). Nur ihr deutscher Pass ermöglicht eine Weiterreise, doch die Wiedersehensfreude währt kurz, da Schwester Dilan im Irak geblieben ist.

Was tun? Mit großer Ruhe zeigt Charizani, wie die beiden Frauen in Rojdas Wohnung in Köln ankommen, wie es zu kulturellen Streitereien zwischen der in Deutschland sozialisierten Tochter und der Mutter kommt, die ihr Haus samt Garten, ihr altes Leben verloren hat und ein Kind zurücklassen musste. Und ebenso leise folgen wir Rojda durch ihren Alltag als Soldatin und schließlich ins irakische Erbil, in jene kurdische Region, wo der IS jüngst verdrängt wurde. Die Bundeswehr bildet dort Peschmerga-Kämpferinnen aus, unter denen Rojda ihre Schwester vermutet.

Die Bedrohung liegt bei den Ausflügen zu den kurdischen Kämpferinnen in der Luft. Doch konzentriert sich Charizani nicht auf kriegerische Interventionen, sondern auf die komplexen Dynamiken der Figuren untereinander. Es geht um das Soldatinnendasein in der männlichen Domäne Bundeswehr, in dem sich Rojda dank ihres Vorgesetzten (sympathisch: Christoph Letkowski) gut einfindet. Und es geht um ihr Zwischen-den-Stühlen-stehen, wenn sie als Quasi-Landsfrau auf der Suche nach der Schwester als Einzige wirklich mit den Kämpferinnen kommunizieren kann. Wie lange kann man professionell bleiben, wenn es um derart Emotionales geht?

Mit Anleihen beim Melodrama bei gleichzeitiger Zurückhaltung lotet Charizani das Dilemma von Rojda aus. Sie ist eine zeitgemäße Heldin im Dazwischen: zwischen Ruhe und Impuls, zwischen den Kulturen, zwischen der Utopie ihre Heimatlandes Kurdistan, das es nicht gibt, und Deutschland. »Im Feuer – Zwei Schwestern« ist ein Film voller Spiegelungen, in dem sich Welten berühren.

Meinung zum Thema

Ihre Meinung ist gefragt, Schreiben Sie uns

Mit dieser Frage versuchen wir sicherzustellen, dass kein Computer dieses Formular abschickt