Kritik zu Hot Milk

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Im Regiedebüt der Drehbuchautorin Rebecca Lenkiewicz eskaliert ein Mutter-Tochter-Urlaub an der spanischen Küste zum komplizierten Kräftemessen zwischen drei Frauen, die mit ihrem Schicksal hadern

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Als Drehbuchautorin ist Rebecca Lenkie­wicz verantwortlich für starke Frauengeschichten. Unter anderem hat sie die Drehbücher von Pawel Pawlikowskis Ida und das von Maria Schrader inszenierte Me-too-Drama »She Said« geschrieben. Die Produzentin Christine Lagan, die sich mit Filmen wie »Fish Tank« von Andrea Arnold auf intensive Geschichten aus weiblicher Perspektive spezialisiert hat, wollte sie eigentlich nur als Drehbuchautorin verpflichten, ermöglichte ihr dann aber das Regiedebüt. »Hot Milk« ist eine Adaption des gleichnamigen Romans von Deborah Levy, in dem es um Frauen geht, die aus unterschiedlichen Gründen mit ihrem Schicksal und ihrer Situation hadern.

Dem Mutter-Tochter-Urlaub an der spanischen Küste bei Almería fehlt jede Leichtigkeit. Die von Fiona Shaw gespielte Mutter Rose leidet unter einer mysteriösen, womöglich psychosomatischen Lähmung ihrer Beine, deren Ursachen die Ärzte nicht ausmachen können. Spürbar nutzt sie ihre Hilflosigkeit als Druckmittel gegen ihre erwachsene Tochter Sofia (Emma Mackey), die ihr Studium ausgesetzt hat, um die Mutter zu einem letzten, sehr kostspieligen und mit einer Hypothek aufs Haus finanzierten Therapieversuch zu begleiten, in der Klinik eines Mannes (Vincent Perez), der ein einfühlsamer Therapeut sein könnte, aber auch ein Quacksalberguru, der den Patienten das Geld aus der Tasche zieht.

Es ist ein zähes Kräftemessen zwischen den beiden Frauen, das Züge einer Co-Abhängigkeit trägt. Immer wieder versucht Sofia, sich der Reichweite ihrer Mutter zu entziehen, etwa wenn sie außen an der Hauswand auf dem Boden kauernd eine Zigarette raucht. Mackey, mit der Serie »Sex Education« bekannt geworden, konterkariert die aufopferungsbereite Fürsorge mit vielen Nuancen von latentem Unwillen und unterschwelliger Genervtheit, die immer mal wieder auch als funkelnder Hass aufblitzt, bevor sie versöhnlich einlenkt. Und Fiona Shaw spielt diese Mutter in allen Nuancen von Resignation, Bitterkeit, Gemeinheit, aber auch Hilfsbedürftigkeit. Zusätzlich aufgeladen wird das angespannte Mutter-Tochter-Verhältnis durch die Hitze des Sommers, die quälende Ereignislosigkeit des Ortes, dazu das enervierende Bellen eines angeketteten Hundes oder giftige Quallen, die sich im Meer tummeln.

Bewegung in die festgefahrene Situation bringt eine dritte Frau, die freiheitsliebende deutsche Hippiefee Ingrid, die einer Fata Morgana gleich auf einem weißen Pferd durch die hitzeflirrende Luft angeritten kommt. Vicky Krieps spielt sie als eine Frau, deren Aufmerksamkeit einer wärmenden Sonne gleicht, doch genauso kalt wird es, wenn sie sich jemand anderem zuwendet. Während es zwischen ihr und Sofia augenblicklich knistert, reagiert die Mutter eifersüchtig auf die unerwartete Konkurrenz. Eine toxische Gemengelage, mit einem dichten Netz von Abhängigkeiten und Manipulationsversuchen, an deren Ende eine finstere Zerreißprobe steht. Aber auch die scheinbar so flirrende, sorglose Ingrid hat ein dunkles Geheimnis, erweist sich in gewisser Weise als Spiegelbild der Mutter.

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