Kritik zu Harry Potter und die Heiligtümer des Todes: Teil 1

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Im letzten Harry-Potter -Abenteuer vor dem großen Finale, erneut vom Briten David Yates inszeniert, fliehen die Zauberlehrlinge Harry, Hermine und Ron vor »Du-weißt-schon-wer« ruhelos durchs Land

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Finsternis senkt sich auf die Insel. Passend zur Jahreszeit wird im neuen »Harry Potter« mit viel Fingerspitzengefühl für Atmosphäre ein düsteres Panorama der Zaubererwelt gezeichnet, in der meteorologisch und politisch alles schlechter wird. Bisher umfassten die »Potter«-Filme ein ganzes Schuljahr; diesmal, mit der Aufteilung des siebten und letzten Romans in zwei Filme, spielt die Handlung ausschließlich im trüben Herbst und Winter. Um in der Zaubererbegriffswelt zu bleiben, in der die Züge nach Hogwarts von Gleis 9½ abfahren, befinden wir uns in Teil 6½ – also in einer verlängerten Durststrecke zum Finale. Doch nichts da mit heimeligem Kaminknistern in Hogwarts; die Internatszeit ist endgültig vorbei. Harry, Hermine und Ron sind zum ersten Mal auf sich gestellt – allein und vogelfrei.

Was sich im backsteindicken Roman oft so öde liest wie der Mittelteil von »Herr der Ringe«, wirkt in der Verfilmung unerwartet wuchtig. Ohne Umschweife wird der Zuschauer in den Aufbruch der drei Hauptfiguren geworfen; die Filmouvertüre zeigt herzzerreißende Abschiede mit Vergessenszauber. Die drei Zauberlehrlinge sollen unter dem Schutz der Auroren zum Haus der Weasleys geflogen werden, eine letzte Bastion der Guten in einer Welt, die brutal von Voldemort-Parteigängern erobert wird. Die Hochzeitsfeier von Rons Bruder endet abrupt mit der Nachricht vom Fall des Zaubereiministeriums und einer bald darauf folgenden »Todesser«-Attacke. Das Freundestrio »desappariert« auf seiner Flucht nach London und von dort quer durchs Land.

Flucht, Diktatur, Straßenterror, Steckbriefe, Prozesse gegen »Halbblüter«: Zwar hat Joanne Rowling den Kampf der Reinblütigen gegen die Halbblüter – also Zauberer nichtmagischen Geblüts –, der anfangs ein Nebenkriegsschauplatz war, mit erkennbaren Faschismusanalogien zum Hauptthema zugespitzt. Doch im detailreichen Filmbild wirkt das literarische Hetzjagdszenario weit beklemmender. Einesteils weil es an die historischen Vorbilder erinnert; andererseits weil tatsächlich unter den von Buch und Film aufgebauten Identifikationsfiguren viel und grausam gestorben wird.

Als Rahmenhandlung dient die Schnitzeljagd nach »Horcruxen« – Gegenstände, in denen Harry Potters Nemesis Voldemort seine Seele eingeschlossen hat. Der Brite David Yates, der auch »Harry Potter 5« und 6 drehte, schafft es, märchenhaften Horror mit politischen Allegorien unter einen Hut zu bringen und dabei die Hormone nicht zu vergessen. Alleskönnerin Hermine, in deren Handtasche sich vom Zaubertrank bis zum Zelt für jede Lebenslage das Passende findet, rückt noch stärker ins Zentrum. Auch in der Realität hat Emma Watson als Hermine, die sich von der neunmalklugen Streberin zur Taktgeberin des Trios entwickelt, Harry-Darsteller Daniel Radcliffe an Starruhm überflügelt. Was erneut die Frage aufwirft, wieso das aufgeräumte Fräulein dem hier besonders bedeppert tuenden Ron zugedacht ist.

Effektvolle Besenflüge, Zauberstabschießereien und ein weit aufgerissenes Schlangengebiss zeigen, dass die Fortsetzung ursprünglich als 3-D-Fassung (die aber erst in Teil 2 im Sommer verwirklicht wird) geplant war. Manchmal jedoch erscheint die Action eher pflichtbewusst abgehakt; auch die Auftritte der britischen Schauspielerelite in sadistischen Schurkenrollen sind diesmal knappe Streiflichter. Als ob er alle Zeit der Welt hätte, inszeniert Yates dagegen ausführlich und mit viel Gefühl elegische Szenen mit leidenden Teenagern in wildromantischer Einöde. So beschleicht einen in diesem Stadium der Romanverfilmung die Ahnung, dass Rowlings Regiewunschkandidat Terry Gilliam, der als Produzentenschreck nicht zum Zuge kam, vielleicht doch die falsche Wahl gewesen wäre. Kraftmeier Gilliam hätte einen so zarten Moment wie Harrys wehen Blick zurück in jene staubige Kammer unter der Treppe, in der ihn einst die Dursleys einquartierten, nie ernst nehmen können. Das gilt natürlich auch für die Nichtkenner der Romane: Die Fortsetzung adressiert sich mehr denn je an kundige Afficionados, die mit »Harry Potter« erwachsen wurden. Für Anfänger aber ist dieses Halbfinale trotz der Freigabe ab 12 Jahren zu krass.

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