Kritik zu Fritz Litzmann, mein Vater und ich

© Mindjazz Pictures

Der TV-Journalist und Filmemacher Aljoscha Pause erzählt entwaffnend persönlich die Geschichte seines Vaters, des Kabarettisten Rainer Pause, und blättert dabei zugleich die Geschichte des linken Widerstands in der jungen Bundesrepublik auf

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Das Bonner Pantheon-Theater ist ein Ort wie kein anderer. Hier wurde in einem Keller am Bundeskanzlerplatz, den Regierungsgeschäften direkt gegenüber, deutlich gesagt, was man nicht so gerne hören wollte, vor allem weil man nicht widersprechen konnte. Fast dreißig Jahre wurde hier Politik kommentiert, abqualifiziert und lächerlich gemacht, bis das Bonn-Center abgerissen werden sollte und das Theater nach Bonn-Beuel umzog. Der Ortswechsel war schmerzhaft, eine der wichtigsten Kleinkunstbühnen ist das Pantheon-Theater aber dennoch geblieben. Gegründet wurde es unter anderem von Rainer Pause. Ein Mann, dessen Bühnenfigur Fritz Litzmann immer schon älter war als er selbst und sich deshalb schamlos alles erlauben konnte, gemeinsam mit seinem Partner Norbert Alich alias Hermann Schwaderlappen. Der sämtliche Erwartungen unterlaufende Humor dieser beiden Herren im Frack wurde dann später nur von Helge Schneider übertroffen, der einen seiner ersten Auftritte im Pantheon-Theater hatte. 

Mit solch einem Vater, der quasi auf der Bühne und dahinter lebte, aufzuwachsen, ist nicht einfach. Zumal, wenn dieser das bisschen an Erziehung auch noch allein aufbringen muss. Aljoscha Pause ist insofern ein Kind dieser zeitgebundenen Radikalität, als dass seine Eltern sich im Gewirr einander verachtender K-Gruppen für die maoistische Variante entschieden und sich bei der Wahl des Vornamens Revisionismus vorwerfen lassen mussten. »Li Ping Pause klingt aber doch auch bescheuert«, konterte Rainer. Und wenn der kleine Aljoscha in dieser Zeit der Grenzüberschreitungen etwas lernte, dann war es das, dass Regeln dazu da sind, gebrochen zu werden. Als er nach mehreren schulischen Katastrophen als neuer Mitschüler zu Bastian Pastewka in die Klasse kam, hieß es: »Der ist gefährlich!« Was ihn umso attraktiver machte. 

Zwischen diesen beiden Polen, einem politisch motivierten Kabarett der siebziger und achtziger Jahre und einer Jugend im privaten Widerstand, erzählt Aljoscha Pause seine Geschichte und die Geschichte seines Vaters, dem das erst gar nicht so recht war, der sich dann aber doch freimütig all den problematischen Erinnerungen stellt, die Aljoscha ihm unterbreitet. Dazu wird diese Zeit, in der man scharf argumentierte und doch kaum etwas veränderte, in all ihren Bewegungen dargestellt und analysiert. Mit Carolin Kebekus, Michael Mittermeier, Gerhard Polt, Sebastian Pufpaff, Georg Schramm, Helge Schneider und vielen anderen Zeitgenossen, die Vater und Sohn Pause über die Jahre begleiteten. Denn was viele diese Menschen verbindet, ist nicht nur ihr Humor, ihr politischer Wille oder der Glaube an die Macht des Theaters, sondern auch die Tatsache, dass emotionale Wärme dabei auf der Strecke blieb. So wie Rainer Pauses Bühnenfigur früh alterte, wurde Aljoscha sehr früh erwachsen und es ist fast ein kleines Wunder, dass er dabei nicht auf der Strecke geblieben ist. Auch dafür ist dieser Film, der wie kein anderer bewundernd und kritisch mit dem frühen bundesdeutschen Kabarett umgeht, ein wunderbares Dokument.

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