Kritik zu Franz K.
Kafka ist seit jeher ein Faszinosum für Agnieszka Holland, die 1981 bereits seinen »Prozess« für das polnische Fernsehen adaptierte. Gemeinsam mit ihrem bewährten Co-Autor Marek Epstein (»Charlatan«) widmet sie ihm nun ein Biopic, das keines sein will
Wie mag es sich für einen Schriftsteller wohl anfühlen, von einer Schalterbeamtin redigiert zu werden? Eines Tages erscheint Franz Kafka auf dem Telegrafenamt, um eine Depesche an seine Geliebte Milena aufzugeben. Er hat eine lange, wortreich gewundene Erklärung verfasst, in der er sich dafür entschuldigt, die Reise zu ihr nicht antreten zu können. Die Beamtin, die auf Sparsamkeit hält, streicht den Text auf ein bündiges »Kann nicht kommen« zusammen.
Falls der Verfasser sich gedemütigt fühlt, ist es ihm nicht anzusehen. Idan Weiss ist ein diskreter Kafka-Darsteller. Allerdings findet er sich in einer Situation wieder, die der Autor sich selbst hätte ausdenken können: der Miniatur einer einschüchternden Bürokratie. Dieser mit angemessen leiser Ironie inszenierte Moment ist überdies die hübsche Replik auf eine frühere Szene, in der Franz mit einem Bettler streitet, der statt der verlangten Krone zwei von ihm nimmt. Seine Empörung ist weniger dem Geiz geschuldet, als der Prinzipientreue des Almosengebers: Er besteht darauf, dass der Mann verantwortlich ist für das, was er sagt. Die Ökonomie spielt ohnehin eine zentrale Rolle in dieser filmischen Lebensgeschichte – und noch über sie hinaus, denn Agnieszka Holland wirft manch surreales Schlaglicht auf eine Industrie, die heute den Mythos des Schriftstellers nach Kräften ausbeutet.
Die erzählerische Ökonomie ist im Gegenzug ihre geringste Sorge. Sie und ihr Co-Autor Marek Epstein packen alles in ihren Kafka-Film hinein, was einem nur zu dieser Gestalt einfallen kann. Sie lassen bezeichnende Etappen aus Kindheit, Jugend und Erwachsenenleben Revue passieren, in denen der Vater (Peter Kurth spielt ihn als furchterregendes Mannsbild; besonders dann, wenn er nicht poltert) die Rolle der Nemesis einnimmt; sie visualisieren Szenen aus seinem Werk (die Kurzfilmversion von »In der Strafkolonie« ist ziemlich unvergesslich); lassen Weggefährten diverse Ergründungsversuche in die Kamera sprechen; rekapitulieren knapp das Schicksal seiner jüdischen Familienmitglieder und das seines Freundes Max Brod während der Nazizeit; und blenden schließlich voraus auf seinen Nachruhm (der zumal im Kafka-Museum in Prag bizarre Volten schlägt). Einzig Kafkas spätes Liebesglück mit Dora Diamant spart ihr Film aus, aber das wurde ja im letzten Jahr in »Die Herrlichkeit des Lebens« mit romantischer Präzision beschworen.
In diesem filmischen Wechselbalg lösen sich brav inszenierte, klassische Biopic-Elemente mit fidelen Bravourstücken ab. Wie die Paternosterfahrt an Kafkas Arbeitsplatz bei der Arbeiterunfallversicherung zielstrebig ins heutige Kafka-Museum führt, besitzt schon beeindruckende Finesse. An Fantasie gebricht es dem Film mithin nicht, kurioserweise aber an Neugierde, ungekannte Aspekte des Menschen und Künstlers zu entdecken. Indes legt er eine erfreuliche Maßlosigkeit an den Tag, die zeigt, dass Holland und Epstein nicht nur ihre Pflicht erfüllen, sondern auch einer erzählerischen Lust nachgeben. In »Franz K.« herrscht eine erkleckliche Bereitschaft zum Unfertigen, die zu dem Schriftsteller passt, der keinen seiner Romane vollendete.



Kommentare
Franz K. – ein Film hat’s eilig
Ob Franz K. der einflussreichste Schriftsteller des 20. Jahrhunderts war, wie der Trailer verkündet, mag dahingestellt sein. Wozu überhaupt solche Superlative, die Kafka selbst nur verlegen gemacht hätten? Idan Weiss spielt als Hauptdarsteller genau diese zurückhaltende Art, hinter der sich große Kunst versteckt, in ausgezeichneter Weise.
Dazu kommen vor allem Peter Kurth als Vater, ewig unzufrieden mit dem Sohn, “der sich nur um sich selbst dreht”, statt um ihn. Und Cora Schuler als Kafkas Verlobte Felice Bauer: Spröde, tüchtig, aber unliterarisch, dafür schlagfertig. Leider fehlt, was Franz ihr in einem seiner unzähligen Briefe schrieb: “Ich habe kein literarisches Interesse, sondern bestehe aus Literatur, ich bin nichts anderes und kann nichts anderes sein.”
Das unterscheidet ihn von seinem Freund Max Brod, der Kafkas Genialität früh erkennt, weswegen er später auch dessen letzten Wunsch nicht erfüllen wird, nämlich alle seine Werke zu vernichten. Für Franz K. indes ist der Wunsch stimmig, er schrieb nicht für die Welt, sondern für sich, es war seine persönliche Existenzform.
War es mit dieser vorbei, brauchte es auch seine Texte nicht mehr zu geben – so dachte er wohl. Dennoch müssen wir M. Brod dankbar sein, denn nicht allein dem Schriftsteller gehört sein Werk. Ihm zwar auch, aber nicht nur. Außer er veröffentlicht gar nichts, was Kafka aber nicht tat.
Der Film von Agnieszka Holland hat es eilig: Franz K. wird gleich anfangs vom Vater ins Wasser der Moldau geschmissen, taucht unter, taucht auf und erlebt ein Ding nach dem anderen. Ein schnelles Leben, nur hört und sieht er das Lebendige halt anders als andere. Solches wiederum muss er aufschreiben – Nächte hindurch. “Geschreibsel” nennt es der Vater und die Mutter sorgt sich, nur Ottla, die Schwester (Katharina Stark), scheint ihn zu verstehen. Weswegen sich an ihr auch die Zuschauer ein wenig orientieren können. Sie unterstützt die Betrachtung von außen, welche es doch sehr oft mit Rätselhaftem zu tun hat. Kein Wunder bei einem Film über diesen Schriftsteller.
Die Szene mit dem Bettler auf den Straßen Prags, der um eine Krone bittet, und als er ein Zwei-Kronenstück bekommt, das Wechselgeld nicht hat oder nicht herausgeben will, halte ich für den Schlüssel. Kafka gerät in Wut, denn ein Wort bedeutet ihm alles – Verant-wort-ung nämlich, es zu brechen hingegen Ver-brechen. Wörtlich zu nehmen beides.
Dass die letzte Lebens- und Liebesphase mit Dora Diamant in “Franz K.” fehlt, tut jedem leid, der letztes Jahr den Film “Die Herrlichkeit des Lebens” sah. Das kurze Glück, knapp vor dem frühen Tod, war ein Geschenk, gewissermaßen auch ein Zur-Ruhe-Kommen nach hastigem Lauf.
Was schließlich auch ein bisschen traurig stimmt, ist, dass nur die oberflächlich-touristische Rezeption von Kafkas Leben und Werk gezeigt wird – also von “Kafka-Burger” bis “Kafka-Shirt” etc. Dergleichen gibt es natürlich, aber ein paar echte Literaturfreunde hätten gerne ebenfalls noch reingepasst.
Ob er nun der einflussreichste Autor war/ist oder nicht – egal! Um große Literatur handelt sich’s allemal. Und die wirkt bekanntlich zeitlos. In diesem Sinn muss man den Film m.E. weder überhöhen, wie manche Rezensionen, noch Verrisse raushauen. Ein kleines Stück zum Kafka-Bild fügt er hinzu – unfertig wie es ist und wohl noch lange bleiben wird.
Franz K.
Ein Film mit deutlicher Überlänge der dem Autor Kafka nicht gerecht wird. Schauspielerische Höchstleistungen werden durch nahezu fehlenden Handlungsstrang nirwanisiert. Das ist schade…und wird den wirklich hervorragenden Schauspielern nicht gerecht, habe nach 110 Minuten das Kino verlassen also nach etwa der Hälfte der tatsächlichen Filmlänge. Kann diesen auf Hochniveau realisierten Film leider nicht weiter empfehlen da er langweilig war.
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