Kritik zu Der Schatten von Caravaggio

© Wild Bunch

Michele Placido erzählt von Leben und Werk des um 1600 wirkenden italienischen Skandalkünstlers in Form einer Ermittlung. Ein päpstlicher Geheimagent untersucht Archive und befragt Zeitzeugen nach Verdachtsmomenten

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Um 1600 schafft ein wütender und brüsker Künstler Gemälde, die zu den einflussreichsten der Weltgeschichte werden. Der fast schon barocken Schwere der Vatikanspaläste setzt Caravaggio (Riccardo Scamarcio) etwas Irdisches voll kontrastreicher Intensitäten entgegen. Bewundert und beschäftigt wird er vom Adel und vom Klerus Italiens, doch niemand kann das zerstörerische Potenzial seiner Werke ganz übersehen. Prostituierte und Bettler stehen ihm Modell für Heiligenbilder, das Licht hat immer mit dunklen Flächen zu kämpfen. Er steht für die Profanisierung des Heiligen und die Sakralisierung des Alltäglichen.

Dazu verfolgt den Künstler noch eine Mordanklage, für die er ein Gnadengesuch nach Rom schickt. Zur Klärung entsendet der Papst einen Geheimagenten, den »Schatten«, und vor diesem blassen Dogmatiker entfaltet sich das Panorama der Figur Caravaggio: Er durchforstet Gerichtsarchive, trifft Weggefährtinnen und vertieft sich in Gemälde. Der Film setzt sich dadurch aus Rückblenden und Episoden zusammen, statt um Ziel und Handlung geht es um das Bezeugen von Caravaggios Ausschweifungen.

Freilich lässt so eine Stargestalt nicht einfach über sich richten, sondern tut das in den eigenen Gemälden zur Genüge selbst. Ein Teufelskerl wie Caravaggio schart Gönnerinnen, Saufkumpane, Liebschaften und mächtige Feinde um sich. Vatikanverschwörung und Schwertkampf bedienen Schauwerte und lassen den Film bisweilen etwas herkömmlich wirken. Doch die Aspirationen von Regisseur Michele Placido sind größer.

Die Kamera von Michele D'Attanasio möchte die Schwere und Dunkelheit von Caravaggios Bildern nachahmen. Das gelingt immer dann am besten, wenn der Film seine Einstellungen lange hält und eine versinkende Betrachtung verlangt. Dann sehen wir im Fackelschein, der bewegten Kamera und dem Spiel mit Ver- und Enthüllung des Lichts eine Zeitlichkeit, die in der Malerei nur angedacht werden konnte.

»Der Schatten von Caravaggio« hat nicht die unverschämte Leiblichkeit von Derek Jarmans »Caravaggio« aus dem Jahr 1986, auch wird die Bisexualität des Künstlers nur scheu angedeutet. Dazu geht der Film hie und da Umwege, um der Gestalt Caravaggios etwas von ihrer mythologisierten Explosivität, heute würde man von Toxizität sprechen, zu nehmen. Den dauerwilligen Prostituierten, die ihn umgeben, begegnet er beinahe zärtlich, und der peitschengeschundene Rücken eines Modells löst Mitleid anstelle von Geilheit in ihm aus.

Und bei aller Häresie steht nie infrage, dass Caravaggio sich in seinen Werken als inbrünstiger Christ beweist. Einmal heißt es im Film, vor den anderen Altarbildern bekreuzigten sich die Menschen, aber vor Caravaggios Bildern blieben sie mit offenem Mund stehen. Einer strengen Formensprache entrissen und mit Erlebensnähe versehen, brechen diese Bilder mit der Ritualisierung der Kunstbetrachtung – und wecken so die Hoffnung auf ein tieferes Empfinden. Als Film lässt »Der Schatten von Caravaggio« uns nicht die Knie schlottern, aber er fragt immerhin, warum manche Bilder diese Wirkung haben können.

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