Kritik zu Der Chor – Stimme des Herzens

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Ausnahmetalente, Gruppendynamik, Mentorschaft: François Girard bringt den »American Boychoir« mit effektvoll inszenierter Musik und gehörigem Pathos als Wohlfühlkino auf die Leinwand

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Die Geschichte des »American Boychoir« – eines Knabenchors mit angeschlossenem Musikinternat, der damit so etwas wie das amerikanische Pendant zu den Wiener Sängerknaben bildet – ist ohne Frage filmreif. 1937 gegründet, blickt der Chor auf glorreiche Auftritte mit den Berliner Philharmonikern, Yo-Yo Ma oder Beyoncé ebenso zurück wie auf einen lange unter den Teppich gekehrten Missbrauchsskandal. Und erst vor wenigen Monaten musste Insolvenz angemeldet werden. Doch natürlich erzählt »Der Chor – Stimmen des Herzens«, der seine Weltpremiere 2014 beim Filmfestival von Toronto feierte, von den letztgenannten Punkten nichts.

Das Konfliktpotenzial der Geschichte köchelt hier stattdessen auf deutlich kleinerer Flamme. Der aufmüpfige und launische Stet (Garrett Wareing) ist das, was man ein Pro­blemkind aus prekären Umständen nennt. Allerdings eines, das außer mit präpubertärer Bockigkeit auch mit einer bemerkenswerten Stimme und viel Gesangstalent gesegnet ist. Dank etwas Glück, einer hartnäckigen Lehrerin (Debra Winger) und dem Geld des abwesenden, längst anderweitig involvierten Vaters (Josh Lucas) landet der 12-Jährige nach dem Tod seiner Mutter im legendären »American Boychoir«. Doch natürlich fällt es Stet im dortigen Internat nicht unbedingt leicht, sich ein- oder gar unterzuordnen. Und der strenge Chorleiter Carvelle (Dustin Hoffman) ist nicht ohne weiteres gewillt, sein Verhalten hinzunehmen. Talent hin oder her. 

Dass Regisseur François Girard, der sich nach siebenjähriger Pause auf der Leinwand zurückmeldet, etwas von Musik versteht, ist unbestritten. Immerhin inszenierte der Kanadier nicht nur Filme wie »32 Variationen über Glenn Gould« oder den oscar-prämierten »Die rote Violine«, sondern auch jede Menge Opern, Ballette und Shows des Cirque du Soleil. Kein Wunder, dass der Chorgesang und die Filmmusik (Brian Byrne) zu den Höhepunkten von »Der Chor« gehören.

Davon abgesehen ist der Film leider wenig mehr als harmlos-gelecktes Wohlfühlkino, triefend von Pathos und prall gefüllt mit jeder Menge Klischees, was Gruppendynamik, Ausnahmebegabung und Mentorenschaft angeht. Wie gnadenlos vorhersehbar sich die Handlung entwickelt, ist vor allem deswegen enttäuschend, weil für das Drehbuch Ben Ripley verantwortlich zeichnet, der mit »Source Code« einen der smarteren Science-Fiction-Filme der letzten Jahre verfasst hat. Enttäuschender ist eigentlich nur noch, dass sich neben einem verlässlichen Dustin Hoffman hochkarätige Kollegen wie Debra Winger, Kathy Bates oder Eddie Izzard in letztlich bedeutungslosen Nebenrollen verschwenden. Mutmaßlich meinte Hoffman nicht diesen Film, als er sich kürzlich beschwerte, der Zustand des Kinos sei so schlecht wie seit 50 Jahren nicht. Doch das wirklich interessante Werk über den »American Boychoir« muss ohne Frage noch gedreht werden.

Meinung zum Thema

Kommentare

Auch wenn Profis diesem Film keine wesentliche Bedeutung beimessen, so muss festgestellt werden, dass in der Vorpremiere das anspruchsvolle Publikum bis zum letzten Ton des Abspanns auf den Plätzen blieb. Oper lebt von der Musik, die Gefühl anspricht. In diesem Sinne gewährleistet diese Film beste Unterhaltung!

Ich habe mir den Film gestern angeschaut und war von der Musik und von den Darstellern überaus angetan.. für mich sehr gute Unterhaltung... und das sahen meine Mitbegleiterinnen ebenso....

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