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Kein Werk von der Stange, sondern edle Kinohandarbeit, filmische Haute Couture: Steven Soderbergh hat mit Drehbuchautor David Koepp ein kammerspielartiges Spionagedrama kreiert, in dem neben Michael Fassbender, Cate Blanchett, Marisa Abela, Tom Burke, Regé-Jean Page und Naomie Harris glänzen
Zwei Menschen allein in einem Raum – aus diesen Elementen entsteht Kinomagie für den US-Filmemacher Steven Soderbergh. »That's where shit happens«, sagt der 62-Jährige, der 1989 mit »Sex, Lügen und Video« debütierte, 2001 mit »Traffic – Macht des Kartells« einen Oscar für die beste Regie gewann und im selben Jahr mit »Ocean's 11« eine weltweit erfolgreiche Trilogie startete; sie endete 2007 mit »Oceans's 13«.
Sein meisterhaft inszenierter Film »Black Bag – Doppeltes Spiel« setzt gleich zu Beginn auf die Erfolgsformel »Zwei Menschen allein in einem Raum«. Zuvor verfolgt die Kamera den britischen Top-Geheimagenten George Woodhouse (Michael Fassbender) zu einem Treffen mit einem Kollegen. Er wird mit dem Auftrag konfrontiert, innerhalb einer Woche einen Verräter in den eigenen Reihen aufzuspüren: »Good luck finding the rat.« Fünf Namen stehen auf der Liste der Verdächtigen, darunter auch der Name von Georges Frau Kathryn (Cate Blanchett). Wie er gehört sie zu den Alphatieren des Auslandsgeheimdienstes.
Das Handlungsfundament des Films ist gelegt, Blanchett und Fassbender erscheinen danach allein im Schlafzimmer ihres luxuriösen Hauses in London. Sie bereiten sich auf eine Dinnerparty mit vier jungen Kollegen vor. Einer oder eine von ihnen könnte der Maulwurf sein. Die erste gemeinsame Szene des langjährigen Ehepaars entfaltet sofort Kinomagie. Sie speist sich aus unterschiedlichen Quellen: Begehren, subtiler Provokation (»Würdest du mich belügen?«) und nicht ganz unbegründetem Misstrauen.
Soderbergh setzte den renommierten Drehbuchautor David Koepp mit einer Idee unter Erfolgsdruck. Er erwartete von Koepp eine von Edward Albees Theaterstück »Wer hat Angst vor Virginia Woolf?« inspirierte Agentengeschichte: also intensives Kammerspiel und genregerechte Spannung zugleich. Koepp hat geliefert. Er hat eine Welt erschaffen mit Mord, Drohnen, Russen, einer Geheimwaffe namens Severus und einem komplexen Spionageplot. Der äußere Rahmen befindet sich dabei in idealer Balance mit einem virtuos komponierten Beziehungsdrama.
Die Gäste der Dinnerparty – verkörpert von Tom Burke, Marisa Abela, Naomie Harris und Regé-Jean Page – sind dem Regisseur des Abends hilflos ausgeliefert. George versteckt im Chana Masala eine psychoaktive Substanz, um die Verdächtigen zum tabulosen Reden zu bringen. Im Kichererbsen-Curry könnte die Wahrheit liegen. Der Austausch von Geheimnissen, Geständnissen, Unterstellungen (und einer messerscharfen Pointe) ist atemberaubend. Albee lässt vernehmlich grüßen. Peter Andrews' (sprich: Soderberghs) Kamera beobachtet das mit fast schon voyeuristischer Lust, immer wieder in intimer Nahaufnahme. Die visuelle Raffinesse des Films begegnet Koepps Dialogen auf Augenhöhe. Dies ist kein Werk von der Stange, sondern edle Kinohandarbeit, filmische Haute Couture. Apropos Kleidung: Fassbenders George erscheint mit markanter Brille, Rollkragenpullover und körperbetonten Anzügen als Wiedergänger von und Hommage an Michael Caines Agent Harry Palmer in Sidney J. Furies »Ipcress – streng geheim« aus dem Jahr 1965. Das explosive Finale gestaltet sich dann im Agatha-Christie-Modus, mit Fassbender als Hercule Poirot 2.0.
Soderbergh wollte einen Film für ein erwachsenes Publikum drehen, das Schauspielkunst zu schätzen weiß. Burke, Abela, Harris und Page glänzen als Personenquartett: attraktiv, bissig, zynisch, mal hitzig, mal eiskalt und immer wieder überraschend. Pierce Brosnan kehrt als grantelnd-überheblicher Chefbürokrat in sein früheres James-Bond-Universum zurück: die Arroganz der Macht im Maßanzug. Michael Fassbender verleiht seiner Figur Züge eines Mensch gewordenen Lügendetektors. Seine eisige Intelligenz geht einher mit einer gleichsam eingekapselten Emotionalität. In Cate Blanchetts Kathryn verschmelzen überragender Intellekt, hoch entwickeltes Selbstbewusstsein (wenn nicht Arroganz) und Sinnlichkeit.