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Gibt es eine Verjährungsfrist für Seitensprünge? Sabine Azéma und André Dussollier sind da sehr unterschiedlicher Ansicht in der altmodischen Eifersuchtskomödie von Ivan Calbérac (»Frühstück bei Monsieur Henri«)

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Während des Vorspanns darf man den Eindruck gewinnen, in ein Armeemuseum geraten zu sein. An den Wänden prangen Säbel und Orden, eine Uniform hängt frisch gebügelt auf dem Bügel. Die drei Handgranaten, die auf dem Kaminsims von Napoleonbüsten eingerahmt werden, haben immerhin Bildwitz. Erstaunlich nur, dass das Porträt von General de Gaulle auf dem Dachboden Staub ansetzt. Weiter als bis zu ihm dürfte der Bewohner dieses Hauses mental wohl nicht ins 20. Jahrhundert vorgestoßen sein; vom 21. ganz zu schweigen.

Fürwahr, im Alterssitz des pensionierten Generals François Marsault (André Dussollier) wird die Tradition hochgehalten. Zum Geburtstag seiner Frau Annie (Sabine Azéma) am 14. Juli muss die Familie zur Melodie der Marseillaise singen. Auch Mustersohn Amaury ist Patriot. Der Berufssoldat sorgt zusammen mit seiner Frau brav dafür, dass die Franzosen nicht aussterben. Ob das fünfte Kind endlich ein Junge wird? Seine Geschwister hingegen erinnert die stramme Familienfeier an eine Versammlung der ex­tremen Rechten. Sie sind aber auch ziemlich aus der Art geschlagen. Adrien arbeitet zur großen Enttäuschung seines Vaters als Marionettenspieler – und von Capucine wird der bestürzte Patriarch später erfahren, dass sie lesbisch ist.

Es ist jedoch ein anderes Familiengeheimnis, das die Handlung in Gang setzt. Auf besagtem Dachboden entdeckt François Liebesbriefe, die ein anderer Mann vor 40 Jahren an Annie geschrieben hat. Abstreiten kann sie das Offenkundige nicht, versucht aber, ihn zu beschwichtigen: Es war nur ein unbedeutender Seitensprung. In seinen Augen ist das Ehebruch. Zu allem Überfluss war der Liebhaber ein gemeinsamer Freund, Boris (Thierry Lhermitte). Um seine Ehre wiederherzustellen, rüstet sich François für eine Strafexpedition nach Nizza. Er willigt ein, dass Annie ihn begleitet – der Ehekrieg muss schließlich weitergehen.

An Witz wird der Film leider auch am Reiseziel nicht hinzugewinnen. Vielmehr schlägt er noch altbackener Volten, als François den Rivalen in Tarnkleidung und mit Sturmgewehr belagert. Regisseur Ivan Calbérac merkt leidlich schnell, dass dies Slapstick-Kommandounternehmen nicht abendfüllend ist. Boris entspannt die Situation als gut gelaunter Gastgeber. Die Anfechtungen bleiben fortan zivil. Zwar umwirbt er seine alte Flamme erneut, aber die hat wenig mehr im Sinn, als vage ihrer verflossenen Ambition nachzutrauern, Musikerin zu werden. 

Calbérac scheint darauf vertraut zu haben, dass es zwischen dem eingespielten Gespann Azéma-Dussollier wieder funkt. Dafür hätte er ihnen jedoch ein Drehbuch vorlegen müssen, das sie tatsächlich inspiriert. Somit muss der Sturkopf François die Pointenlast allein schultern, zumal ihm Calbérac auf die alten Tage auch noch zumutet, endlich ein toleranter, liebevoller Vater all seiner Kinder zu werden. Ungerecht, dass Annie rein gar nichts dazulernen darf! Aber das Museum des Vorspanns war mitnichten eine falsche Fährte. Selbst die Generation der Kinder ­entpuppt sich in Liebesbriefe aus Nizza als ausgesprochen wertkonservativ: Für das Altbewährte gibt es keine Verjährungsfrist.

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