Ihre Meinung ist gefragt, Schreiben Sie uns
Kilian Riedhof (»Meinen Hass bekommt ihr nicht«) verfilmt das Schicksal der Stella Goldschlag mit Paula Beer in der Hauptrolle
Die Biografie der Jüdin Stella Goldschlag, spätere Stella Kübler, ist eine der heikelsten Geschichten, die man für einen Film über den Holocaust auswählen kann. Während der Nazizeit spürte Stella Goldschlag als »Greiferin« andere Juden auf und lieferte sie an die Gestapo aus. Eine Jüdin als Täterin: Welch kontroverse Diskussionen die Beschäftigung mit dieser Biografie auslösen kann, musste bereits Takis Würger bei Veröffentlichung seines Romans »Stella« erfahren. Dem Film »Stella. Ein Leben.« von Kilian Riedhof dürfte es nicht anders ergehen.
Stella, gespielt von Paula Beer, wächst während der NS-Zeit in Berlin auf. Sie ist der Schwarm aller Mitschüler, singt in einer Jazz-Combo und träumt von einer großen Karriere. Selbst als sie bereits als Zwangsarbeiterin in einem Rüstungsbetrieb arbeiten muss, macht sie sich noch schick und geht in angesagte Clubs. Mit ihrem blonden Haar und ihren blauen Augen passt sie nicht ins Judenklischee der Nazis und kann den Offizieren mühelos schöne Augen machen.
Man mag erahnen, wie diese hedonistische Frau selbst Hass auf die Juden entwickelt. Mit dem jüdischen Glauben und der jüdischen Kultur hat sie eigentlich nichts zu tun, sie will einfach nur ihr Leben leben, eine Gewinnerin sein, ihre jüdische Identität am liebsten abstreifen. Die produktive Auseinandersetzung mit der Figur und die Frage, wie sehr sie nun Täterin oder Opfer ist, bekommt im Film allerdings zu wenig Raum. Stattdessen wird lange das Versteckspiel vor Stellas Verhaftung gezeigt.
Zusammen mit ihren Eltern muss Stella untertauchen und schließt sich ihrem späteren Ehemann Rolf Isaaksohn (Jannis Niewöhner) an, der als Passfälscher agiert und später ebenfalls zum »Greifer« wird. Während bei Stella unterschiedliche Charakterzüge durchscheinen, ist Rolf als schlicht böser Manipulator angelegt. Wenn die beiden schließlich während eines Bombenangriffs zusammen mit einem weiteren Mitstreiter grölend ein leeres Haus stürmen, wirkt das Ganze wie eine, auf wirkmächtige Bilder ausgelegte, Satire. Die Verhörszenen nach Stellas Verhaftung gleichen dann einer bloßen Ausstellung von Gewalt. Die Psychologie der Figur und die Auswirkungen, die ihre anschließende Rolle als Denunziantin hat, gehen weitestgehend unter. »Was machen wir hier?«, fragt Stella Rolf an einer Stelle, nur um die Frage mit Sex wieder abzuwürgen.
Erst gegen Ende, wenn der Film die Nachkriegszeit zeigt, scheint das Potenzial zur kontroversen, aber eben auch interessanten Diskussion noch einmal durch. Stella muss sich vor Gericht verantworten, in einem Kinoraum werden ihr Szenen aus Auschwitz vorgeführt, und in einem Café konfrontiert sie ein ehemaliger jüdischer Freund mit ihren Taten. Diese Szene im Café mit den vorgebrachten Anschuldigungen und dem Abwiegeln von Stella, ihrem Beharren auf der Opferrolle, gehört zu den stärkeren Momenten des Films. Doch für die tiefergehende Auseinandersetzung ist es da zu spät.