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© Splendid

2018
Original-Titel: 
Hereditary – Das Vermächtnis
Filmstart in Deutschland: 
14.06.2018
L: 
123 Min
FSK: 
Ohne Angabe

Beginnt als Familiendrama und wird dann immer unheimlicher und unberechenbarer: Ari Asters in Sundance zu Recht gefeierter Horrorfilm über ein finsteres Erbe

Bewertung: 4
Leserbewertung
3
3 (Stimmen: 1)

Bereits in seinen Kurzfilmen »Munchhausen« und »The Strange Thing About the Johnsons« erzählte Ari Aster von problematischen bis abgründigen Familienverhältnissen. In seinem ambitionierten Langfilmdebüt ist es eine ganze Reihe von psychischen Erkrankungen und Unglücksfällen, die die Geschichte der Familie Graham prägen. Was da im Einzelnen geschah, erfährt der Zuschauer erst nach und nach – während sich in der Gegenwart neues Unheil nähert. Zunächst aber scheinen die Grahams ein ganz aufgeräumtes und angenehmes Leben zu führen: Im schicken, großzügigen Holzhaus am Waldrand wohnen Annie und ihr Mann Steve mit dem halbwüchsigen Sohn Peter und der etwas jüngeren Tochter Charlie. Annie ist als Künstlerin erfolgreich, mit akribisch ausgestatteten Puppenhäusern und Dioramen, die ihre und ihrer Familie Wirklichkeit verblüffend ähnlich nachbilden, während der sanfte Steve als Psychotherapeut in der Stadt arbeitet.

Mit dem traurigen, doch eigentlich nicht ungewöhnlichen Tod von Annies Mutter kommen Prozesse in Gang, die das Idyll aufs Brutalste zerschmettern werden. Die offenbar herrschsüchtige und manipulative Großmutter scheint die Welt der Grahams nicht wirklich verlassen zu haben. Zunächst subtil etabliert die Inszenierung Irritationen der Wahrnehmung – Geistererscheinungen oder Einbildung? – bevor eine äußerst verstörende Wendung die zweite Hälfte des Films einläutet. Mehr darf man nicht verraten.

Ari Aster hat sehr viel und sehr gründlich bei den einschlägigen Werken des 1960er und 70er Okkulthorrors gelernt, insbesondere bei »Rosemary's Baby«. So nimmt er sich viel Zeit, um Schauplätze und Figuren mit Leben zu füllen. Gut geerdet kann die Regie dann umso besser mit Andeutungen und rätselhaften Details den eigenen Realismus untergraben und immer weiter ins Okkulte vorstoßen, mit Tiersymbolik, geheimnisvollen Büchern, Geisterbeschwörung, dem Verschwimmen von Wahn und Wirklichkeit und nicht zuletzt mit Annies Puppenhäusern. Schon der elegante Vorspann hat sie als gefährlich lebendig wie auch als Zentralsymbol etabliert: Wie die Puppen scheinen auch die Grahams der Willkür einer äußeren Macht ausgeliefert zu sein. Wobei der Film außen und innen, fremden Einfluss und unbewusste Triebkräfte beständig gegeneinander und beides in Frage stellt. Die Darsteller vermitteln eindringlich ihre Getriebenheit, allen voran Toni Collette, die als leidgeprüfte Annie eine echte Tour de Force hinlegt.

Dass der Film trotz der einen oder anderen Unglaubwürdigkeit und seines heftigen Dralls ins Abseitige nicht ins Lächerliche abgleitet, dafür sorgt gerade sein ziemlich böser Humor. Und trotz aller Inspiration aus der Filmgeschichte entwickelt Ari Aster eine sehr prägnante eigene Handschrift als Regisseur, mit ungewöhnlichen und wirkungsvollen Ideen. So bleibt die Kamera beispielsweise nach einem schockhaften Ereignis minutenlang auf dem Gesicht des Sohnes und beobachtet dessen Reaktion – ein enorm emotionaler Moment. Goldrichtig auch die Entscheidung für einen Soundtrack des Saxophonisten Colin Stetson. Seine experimentellen Klänge tragen viel zur beunruhigenden, lange nachhallenden Atmosphäre von »Hereditary« bei.

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