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© Port au Prince Film

Ötzi, die berühmteste Gletschermumie der Welt, bekommt endlich sein eigens Biopic – als rasante Mischung aus Rekonstruktion der Menschheitsgeschichte und Rachewestern

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Das deutsche Kino befindet sich stets auf der Suche nach positiven, historischen Identifikationsfiguren: Mit »Der Mann aus dem Eis« aber wagt Regisseur Felix Randau einen weiten Schritt zurück – ungefähr 5000 Jahre zurück. Ausgerechnet Ötzi, die berühmteste Gletschermumie der Welt, steht im Fokus seines Films; aus heutiger Sicht mag der im Eis des Tisenjochs gefundene Mann zwar Österreicher oder Italiener gewesen sein, gespielt wird er hier aber von einem Deutschen – nämlich einem sehr bärtigen Jürgen Vogel. So unternimmt Randau den heiklen Versuch, Ötzi und seine mythische jungsteinzeitliche Welt wieder zum Leben zu erwecken. Dass der Film auf dem neuesten Stand historischer Forschung beruht, sieht man ihm an, auch wenn man kein Experte für europäische Frühgeschichte ist. Dass er einer gewissen Legendenbildung nicht ganz abgeneigt ist, wird ebenfalls schnell deutlich.

»Der Mann aus dem Eis« steht in der Tradition einiger weniger Filme, die in Zeiten angesiedelt sind, aus denen es keine schriftlichen Primärquellen gibt. In den besseren Fällen regt das die visuelle Fantasie der Filme­macher an wie in Mel Gibsons »Apocalypto«; in weniger guten führt es zu absurden Kitschspektakeln wie Roland Emmerichs »10­000 BC«. Randau und sein Team aber machen vieles richtig: Ausstattung, Make-up und Kostüme sind schlichtweg grandios und sorgen für eine dichte, stimmige Atmosphäre; Kameramann Jakub Bejnarowicz fängt das Ötztal in spektakulären, wenn auch arg fahlen Bildern ein. Ein weiterer mutiger Schachzug ist, dass der Film gänzlich ohne verständliche Sprache auskommt: Wenn gesprochen wird, dann in einer alten Form des Rätischen – Untertitel gibt es nicht. Diese spannende Idee geht ganz hervorragend auf und wirkt zum Glück auch nie albern; im Gegenteil bewahrt es den Film vor dem Fehler, Figuren aus einer so fremden, prähistorischen Zeit Worte in den Mund zu legen. Emmerichs peinlicher Fehlschlag dürfte als Warnung gedient haben.

Eine Geschichte erzählt der Film natürlich trotzdem, und mit diesem narrativen Rahmen öffnet er sich auch für Kritik. Der Plot von »Der Mann aus dem Eis« ähnelt nämlich vor allem dem eines klassischen Rachewesterns: Als der Protagonist, im Abspann Kelab genannt, sich gerade auf der Jagd befindet, werden seine Frau und seine Kinder von einer umherziehenden Bande getötet. Außerdem wird sein größtes Heiligtum gestohlen – eine mysteriöse Schatulle, deren Inhalt erst ganz am Schluss offenbart wird. Also zieht Kelab los in die Wildnis, um seine Familie zu rächen. Dass die strukturelle Nähe zum Western durchaus beabsichtigt ist, zeigt ein Cameo des legendären Django-Darstellers Franco Nero. Die brachiale Rache- und Survival-Story ist hochgradig unterhaltsam, wirkt angesichts des historisch-authentischen Anspruchs des Films aber auch ein wenig befremdlich. Die abenteuerliche Mischung aus Genrefilm und anthropologischer Erkundung wird Puristen beider Lager eher irritieren. Alle anderen können an dieser furiosen Zeitreise großen Spaß haben.

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