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Geschichtsbewältigung per Liebesdreieck: Der irische Regisseur Terry George widmet sich filmisch dem Thema des Genozids an den Armeniern, mit namhafter Besetzung, aber minderwertigem Drehbuch
Was haben sie sich nur dabei gedacht? Schauspielkoryphäen vom Schlage Christian Bale und Oscar Isaac nämlich, die die beiden männlichen Hauptrollen in »The Promise« innehaben. Oder Tom Hollander und James Cromwell, die in diesem Film ihre mimische Kunst in Miniauftritten vergeuden. Und ja, sogar Jean Reno, der den knurrigen Kapitän eines französischen Kriegsschiffes gibt und insgesamt wohl keine zwei Minuten auf der Leinwand zu sehen ist. Was mag all diese hochkarätigen Akteure veranlasst haben, nach der Lektüre des Drehbuchs ihre Agenten anzurufen und zu sagen: Hey, da mach' ich mit! Wenn es nicht der schnöde Mammon war, war es womöglich eine entfernte Erinnerung an »Doktor Schiwago«, David Leans satte drei Stunden langes Liebe-in-Zeiten-des-Krieges-Epos aus dem Jahr 1965? Allerdings ist Terry George kein David Lean und »The Promise« mit seinen knapp über zwei Stunden Laufzeit immer noch überlang genug.
Aber es muss ja auch so viel erzählt werden. Die Geschichte vom Armenier Mikael Boghosian (Oscar Isaac) nämlich, der aus bescheidenen Verhältnissen nach Konstantinopel kommt, um dort Medizin zu studieren. Wo er im Hause seines Onkels die junge Gouvernante Ana Khesarian (Charlotte Le Bon) kennen- und lieben lernt; obwohl doch zu Hause auf dem Dorf Mikaels Verlobte Maral (Angela Sarafyan) wartet und Ana mit dem US-amerikanischen Journalisten Chris Myers (Christian Bale) liiert ist. Schwierig genug, dann aber bricht auch noch der Große Krieg aus, und das türkische Regime nutzt die Gunst der Stunde, um weitgehend unbehelligt von der Weltöffentlichkeit die armenische Minderheit im Land zu terrorisieren. Ein Terror, der sich zum Völkermord auswachsen wird. Vertreibung, Todesmärsche, Massaker. Hunderttausende Tote.
Und hier eben der Hintergrund eines Liebesdreiecks, dessen melodramatische Machinationen sich von der historischen Tragödie nicht stören lassen. Das heißt: Mikael und Ana werden getrennt, kommen wieder zusammen, geraten in Lebensgefahr, erleiden schlimme Schicksale, finden in der Liebe zueinander Kraft und neue Hoffnung – und dann passiert das, und dann passiert jenes, und Chris und Maral müssen auch noch irgendwie versorgt werden. Tränen werden vergossen und Schmerzensschreie ausgestoßen. Die Männer bäumen sich auf und kämpfen, die Frauen dulden und kümmern sich um die Kinder. Am Ende steht Oscar Isaac in der Altersmaske im Garten eines noblen Anwesens irgendwo im Flüchtlingsparadies USA und fabuliert von der Ausdauer und dem Überlebenswillen des armenischen Volkes und von der immer wachen Erinnerung an die Toten, die deshalb nicht tot sind.
Freilich, Krieg, Leid und Zerstörung sind beliebte dramaturgische Mittel, die die Flüchtigkeit menschlichen Glücks in umso schärferem Kontrast hervorheben. Im vorliegenden Fall aber verkommt das Elend zur stümperhaft herumgeschobenen Kulisse, bleibt Solidarität mit den Verfolgten bloße Behauptung, wirken die Leichen rein illustrativ. Es mangelt »The Promise« an Mitgefühl, das ist das Schlimmste.