Ja, es tut weh

Über die Notwendigkeit von »Abtreibungsfilmen«
»Das Ereignis« (2021). © Prokino

Es gibt Themen, die sind so schwer zu bearbeiten, dass schon drei oder vier Filme eine regelrechte »Welle« darstellen können. Der Schwangerschaftsabbruch zum Beispiel. Nicht, dass er nicht vorkäme; die Wikipedia-Liste zu »films about abortion« verzeichnet eine ganze Reihe, von A wie »Alfie« bis W wie »Wish You Were Here«. Darunter finden sich allerdings viele, in denen die Abtreibung nicht das zentrale Problem ist, und einige, die sich aus dem Konflikt herauswinden.

Die schmerzhaften und blutigen Details der Prozedur, also das, was Frauen im physischen Sinne unter die Haut geht, bleiben dem Zuschauer in der Regel ohnehin erspart – verglichen mit dem Kinderkriegen, dem Geburtsschmerz, ist dieses krisenhafte Kapitel der weiblichen Reproduktion mit Tabus behaftet. Claude Chabrol wurde attackiert und bedroht, als 1988 Eine Frauensache erschien, die Rekonstruktion eines historischen Prozesses um eine »Engelmacherin«. Und die sanfte Umsicht, mit der Alexander Kluge in »Gelegenheitsarbeit einer Sklavin« eine Abtreibung zeigte, nützte ihm wenig – der Film wurde zum Skandal, das Bundesinnenministerium wollte die Förderung wiederhaben.

Die Zeiten sind immerhin vorbei, und heute vertreten vor allem Frauen die Sache. Das müssen sie auch, denn auf der ganzen Welt, von den USA über Polen bis Südkorea, wo gerade ein Präsident gewählt wurde, der die Feministinnen in seinem Land für die niedrige Geburtenrate verantwortlich macht, ist ein sexualpolitischer Backlash im Gang. Nach Eliza Hittmans »Niemals Selten Manchmal Immer«, der Doku »Roe vs. Wade« und dem Liebesfilm »Porträt einer jungen Frau in Flammen«, in dem eine Abtreibung als schwesterliche Hilfeleistung reflektiert wird, kommen nun in schneller Folge Mahamat-Saleh Harouns »Lingui«, Phyllis Nagys »Call Jane« und der Venedig-Gewinner »Das Ereignis« von Audrey Diwan ins Kino. Ähnlich sind sich diese Filme darin, dass sie den Schwangerschaftsabbruch nicht mehr in erster Linie als moralisches Problem fassen, sondern als eines der Gesundheitsvorsorge. »Das Ereignis«, das um eine illegale Abtreibung im Frankreich der 60er kreist, führt in drastischen Bildern vor, wie das ist, wenn Frauen der Zugang zum medizinisch sachverständigen Abbruch verwehrt wird: Da fällt am Ende, nach Monaten der Angst und unter Qualen, ein Fötus ins Klo. Muss man das sehen? Ja. Es hätte so nicht passieren müssen. Und es ist eine Zumutung.

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