Cannes-Blog

Barbara Schweizerhof

Lambert Wilson brachte es als Moderator der Preisverleihung am Samstagabend sehr schön auf den Punkt: Binnen einer Stunde, so sprach er um 19 Uhr, sei Cannes nicht mehr das Zentrum der Welt. Und tatsächlich war um 20 Uhr alles vorbei, die Goldene Palme war vergeben, beweint und bejubelt.

Barbara Schweizerhof

Seit Jahren spielen Hunde eine besondere Rolle im Filmfestival von Cannes. Es ist ein reines Filmestivalphänomen, geboren aus den Nöten und Freuden des fünf-Filme-am-Tag-sichtenden Kritikers. Denn es kann manchmal leichter sein, Filme anhand ihrer Hundeszenen auseinander zu halten als sich an ihre Titel zu erinnern. Cronenbergs Maps to the Stars – das war doch der, in dem der Hund erschossen wird? Godards Adieu au langage – der, wo der Hund ständig so gemütlich herumliegt.

Barbara Schweizerhof

Während die einen noch den ein oder anderen verpassten Film nachsichten und die anderen, lärmende Rollkoffer nach sich ziehend, die Stadt verlassen, gibt es unter den Zurückgebliebenen nur noch ein Thema: Wer kriegt sie nun, die Goldene Palme, und wer verfügt über genug Insider-Wissen, um sie brauchbar vorherzusagen. Wie (fast) immer gehen die Meinungen auseinander.

Barbara Schweizerhof

Wie es sich gehört für ein Wunderkind, mischt der der 25-jährige Kanadier Xavier Dolan in letzter Minute noch einmal den Wettbewerb neu auf. Die Favoriten waren schon gesetzt - Nuri Bilge Ceylan mit Winter Sleep, Mike Leigh mit Mr Turner, Abderrahmane Sissako mit Timbuktu an der Spitze - da gibt es einen neuen Favoriten, zumindest in den Herzen der Kritiker.

Barbara Schweizerhof
Ein Filmfestival wie Cannes funktioniert nur dann, wenn sich das Publikum von einzelnen Stars und Filmen etwas ganz Besonderes verspricht. Erst dann kommt es zu jener leicht hysterisch aufgeladenen Erwartungshaltung, die Menschen dazu bringt, sich für Stunden in einer Schlange anzustellen mit der vagen Hoffnung, es ins Innere des Kinopalasts zu schaffen. Der Film mit den längsten Schlangen war in diesem Jahr bislang Ryan Goslings Regiedebüt, Lost River.
Barbara Schweizerhof

Nachher kommt Ryan Gosling und im Festivalpalais herrscht eine Stimmung wie vor Weihnachten.

Barbara Schweizerhof

Maps to the Stars ist bereits David Cronenbergs 5. Film im Wettbewerb von Cannes. Ausgezeichnet wurde er allerdings zuletzt 1996 mit Crash, wofür er den Spezialpreis der Jury erhielt. Cosmopolis vor zwei Jahren kam zwar meiner Erinnerung nach gut an, gilt im Nachhinein aber als eher schwacher Film. ein Schicksal, das, so fürchte ich, er mit Maps to the Stars bald teilen wird.

Barbara Schweizerhof

Acht von achtzehn Filmen des Wettbewerbs in Cannes sind bereits gelaufen und das bedeutet, dass mutig erste Bilanzen geschrieben werden. Noch fallen sie im Urteil allerdings sehr unterschiedlich aus, von "dieses Jahr ganz besonders dünn" bis zu "dieses Jahr ganz besonders stark". Die Filme, die für so ein Urteil eigentlich entscheidend sind, kommen allerdings noch: sei es Cronenberg, Assayas, Dolan oder die Dardennes, der Rest des Programms besteht im Grunde nur noch aus Filmen, die mit großen Erwartungen verbunden sind.       

Barbara Schweizerhof

Jeder ernsthafte Filmfestivalgeher kennt ihn, den Fluch des verpassten Films: Da lässt man einen Film im Wettbewerb aus, weil man denkt: zweieinhalb Stunden Timothy Spall als Maler im England des 19. Jahrhunderts, da mach ich mal was anderes mit meiner Zeit. Und prompt hat man ein "Masterpiece of subtlety" verpasst. Im Kritikerspiegel des "Screen-Daily" bekam Mike Leighs Mr. Turner eine sensationelle Durchschnittswertung von 3,6 (die Höchstnote wäre eine glatte 4).

Barbara Schweizerhof

Wenn es keine Kontroverse gäbe, hätte er wohl etwas falsch gemacht: Ein Film, der wie Grace of Monaco von einer der glamourösesten Figuren des 20. Jahrhunderts erzählt, ist prädestiniert dazu, auch zum Widerspruch reizen. Hauptsache, er ist es wert, dass über ihn geredet wird. Insofern hat das Filmfestival von Cannes mit seiner Wahl des Eröffnungsfilms auch in diesem Jahr wieder eine ganz richtige Entscheidung getroffen.