Amerikas Unterhändler

»Ein Hologramm für den König« (2016). © Frederic Batier

Wir haben lange nicht mehr über Tom Hanks gesprochen. Wenn ich es recht bedenke, haben wir das eigentlich überhaupt noch nicht getan. Vor ein paar Wochen fiel sein Name nur einmal kurz im Zusammenhang mit aktuellen Spionagefilmen und -serien. Höchste Zeit, das Versäumte nachzuholen.

Seit einigen Tagen geht er mir nicht mehr aus dem Kopf. Seine Karriere habe ich praktisch von Anfang an verfolgt; wenn auch bestimmt nicht immer mit der gebotenen Aufmerksamkeit. In »Splash« ist er mir zum ersten Mal aufgefallen. Ich erinnere mich noch gut daran, wie Regisseur Ron Howard in einem Interview mit »Film Comment« die Besetzung der Hauptrolle mit dem Newcomer begründete: »Word around town was good about him« sagte er, sein Name hatte bereits einen guten Klang in der Branche. Daran hat sich seither nichts geändert. Im letzten Jahr wurde er zum beliebtesten Schauspieler Amerikas gewählt, mit weitem Abstand vor John Wayne, Jennifer Lawrence und Clint Eastwood.

Anfangs war er vor allem als Komödiant gefragt und man konnte ihm zuschauen, wie er von Mal zu Mal reifer und ernster wurde. Die Hauptrolle in »Fegefeuer der Eitelkeiten« war keine wirklich prächtige Idee, aber es wurde klar, in welche Richtung es nun gehen konnte. In seinen beiden Oscar-Filmen, »Philadelphia« und »Forrest Gump«, mochte ich ihn nicht so sehr so. Darin war die Gefahr der Sentimentalisierung einfach zu groß und ich fand, dass Denzel Washington die interessantere Rolle in »Philadelphia« hatte. Der Galgenhumor ihres letzten Dialogs ist hingegen großartig (»Was ist ein Schiff mit Hundert Anwälten, das untergeht? Ein guter Anfang.«). Ich respektierte, was er in diesen Rollen tat. Er war ein Brückenbauer, der das amerikanische Publikum auf Wege führte, die sie ohne ihn nicht so bereitwillig beschritten hätten. Damals hatte sich seine Aura eines zeitgenössischen James Stewart schon hinreichend verdichtet. Er war die ideale Verkörperung des liebenden, verantwortungsvollen Familienvaters, der die Raten für seinen Mittelklassewagen treulich abzahlte. Seinen sozialen Status würde er nur in aller Bescheidenheit demonstrieren (weshalb »Fegefeuer der Eitelkeiten« auch eine so schlechte Idee war); einer wie er bedarf nicht einmal der üblichen expositorischen Gesten, um den US-Zuschauern zu vermitteln, dass er einer von ihnen ist. Mein Lieblingsfilm mit ihm ist »Catch me if you can« (er hat sofort verstanden, dass Spielberg meist von der Vatersuche erzählt). Seine Charaktere strahlten auch romantische Zuverlässigkeit aus. Mir gefiel die Idee, dass ein derart repräsentativer Schauspieler (um mal ein treffenderes Wort für das zu finden, was man gemeinhin Charakterdarsteller nennt) ein so großer Star werden konnte.

Seither ist er experimentierfreudiger geworden. Der Part des Auftragskillers in »The Road to Perdition« ist ein schlagendes Beispiel dafür. Nicht zuletzt dank seiner Treue zu gewissen Regisseuren (Penny Marshall, Ron Howard, Robert Zemeckis, Spielberg) bewegt er sich trittsicher in anderen Genres wie dem Kriegs-, dem Animationsfilm oder Actionthriller. In der Robinsonade »Castaway« lässt er sich die Schau auch nicht von einem Basketball stehlen. Seine Unternehmungslust blitzte schon in dem verschmitzten »Joe gegen den Vulkan« auf. Angeblich ist sein persönlicher Lieblingsfilm »Jason und die Argonauten« von Ray Harryhausen. Das mag er vielleicht nur aus Höflichkeit bei irgendeiner Preisverleihung gesagt haben, es spricht aber für seinen Geschmack.

Und es bezeichnet noch einen Strang in seiner Filmographie, die mich zusehends intrigiert: das pflichtbewusste Fernweh. Es hat ihn schon in die Südsee (als Fed-Ex-Angestellter in »Castaway«) und sogar ins All (»Apollo 13«) geführt. Unter diesem Aspekt sollte man vielleicht auch mal sein Frühwerk (»Nothing in Common« könnte die richtige Spur sein) genauer betrachten. Gleichviel, als ich am Sonntag noch einmal »Captain Phillips« sah, gewann dieses Rollenfach für mich noch stärkere Konturen. Damit erhält sein Image eine erfreuliche ikonische Erweiterung. Er stößt in eine ähnlich mythische Dimension hervor wie einst Charlton Heston, der ja meist die letzte Bastion der Zivilisation verkörperte. Hanks ist jedoch eine andere, zeitgemäßere Figur: Allmählich wird dieser eminent unexotische Schauspieler zu Amerikas Unterhändler mit der Welt. Als gestrenger Kapitän beweist er beim Piratenüberfall vor Somalia besonnenes Krisenmanagement. Er würde alles tun, um seine Mannschaft und Fracht in Sicherheit zu bringen. Er ist auf integre Weise listig, übt sich in taktischer Geduld. Aber selbst gegen Ende seines Martyriums, wenn sein gerechter Zorn ausbricht, gibt er nie ganz seine bilaterale Sicht auf globale Konflikte auf. Das ist bei seinem Anwalt in »Bridge of Spies« nicht anders, der mit professioneller Loyalität zu seinem »guy« steht und bereit ist, die andere Seite anzuhören.

Einen besseren Mann könnten die USA im Nahen Osten (verzeihen Sie die topographische Ungenauigkeit) nicht haben. Bereits in »Der Krieg des Charley Wilson« empfiehlt er sich für dieses Mandat. Die Rolle des hedonistischen Senators mag zwar ein ziemlicher Stunt für den biederen Familienmenschen Hanks gewesen sein. Er gelingt ihm jedoch überraschend glaubwürdig und die Parallelführung von Erotik und Politik lässt erahnen, welch treffliche Erzähltradition reueloser Sinnenfreude der US-Folklore verloren gegangen ist. Bei seinem Engagement für die afghanischen Freiheitskämpfer geriert er sich erst einmal wie ein Argloser im Ausland. Hübsch, wie er im Königspalast einen Whisky bestellt: »Den Fehler machen bestimmt viele?« – »Nein.«. Aber später dann kommt Wilson der wunderbare Satz »Den Unterton habe ich schon verstanden.« über die Lippen.

Gerade kam die Einladung zur Pressevorführung von Tom Tykwers »Ein Hologramm für den König« (Trailer), wo Hanks einen Handelsvertreter spielt, der im saudischen Königshaus vorspricht. Auch da wird er sich wohl in taktischer Geduld und integrer List üben müssen. Niemand kann das besser als er.

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