Kritik zu Bridge of Spies: Der Unterhändler

© 20th Century Fox

In Ostberlin war der Winter strenger: Steven Spielberg greift die historischen Ereignisse um den ersten Agentenaustausch auf der Glienicker Brücke im Jahre 1962 auf und macht daraus mit Tom Hanks in der Hauptrolle einen klassischen Kalter-Krieg-Thriller

Bewertung: 3
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2 (Stimmen: 2)

Steven Spielberg ist ein Meister der Exposition. Seine Eröffnungssequenz zu »Der Soldat James Ryan« ging in die Filmgeschichte ein und es gibt wohl kaum ein Stück Kino, dass den Schrecken des Krieges eindringlicher ins Bild gefasst hat. Sein neuer Film »Bridge of Spies« fängt deutlich gelassener an, vielleicht weil es hier um einen ganz anderen, verdeckten, nämlich den Kalten Krieg geht. Einige FBI-Agenten beschatten im New York des Jahres 1957 einen Mann, der ihnen im Gedränge der U-Bahn zu entkommen droht. Der Verfolgte ist die Ruhe selbst, geht seinen Weg anscheinend unbeirrt, verschwindet in der Menge und taucht unvermittelt am Treppenausgang wieder auf, als die Bundespolizisten schon aufgegeben haben. Die Kamera verfolgt das Geschehen in einem entspannten Beobachtungsmodus. Es wird kaum ein Wort gesprochen. Keine Musik. Nur die Geräusche der Großstadt bilden den Soundtrack für diese Exposition, die in klassischer Eleganz erstrahlt, aber auch schon ein Bekenntnis ist.

Denn der Verfolgte, mit dessen Gelassenheit sich die Kamera zu verbünden scheint, ist keineswegs der Held des Films, sondern ein sowjetischer Spion, an dessen Schuld kein Zweifel besteht. Als die Behörden Rudolf Abel (großartig: Mark Rylance) vor Gericht stellen, wird der Versicherungsanwalt James Donavan (Tom Hanks) als Pflichtverteidiger unter Vertrag genommen. Der rechtsstaatliche Schein soll gewahrt bleiben. Der couragierte Anwalt aber nimmt sein Mandat ernster, als es alle von ihm erwarten. In zweiter Instanz gelingt es ihm, das Todesurteil in eine lebenslange Freiheitsstrafe umzuwandeln. Unter der Hand macht er dem Richter klar, dass Abel als Tauschware im Agentengeschäft von größerem Nutzen sei als auf dem elektrischen Stuhl. Drei Jahre später wird ein amerikanisches Spionageflugzeug abgeschossen und der Pilot in der UdSSR vor Gericht gestellt. Nun soll Donavan in Berlin den Agentenaustausch aushandeln. Und so landet der amerikanische Jurist in der Frontstadt des Kalten Krieges, wo der Mörtel des antifaschistischen Schutzwalles noch nicht trocken ist. Ohne offizielles Mandat reist er nach Ostberlin und will Abel nicht nur gegen den US-Piloten eintauschen, sondern auch noch die Freilassung eines amerikanischen Studenten erwirken, der sich beim Mauerbau auf der falschen Seite aufgehalten hat. Dabei muss er sowohl mit der sowjetischen Seite als auch mit dem windigen DDR-Rechtsanwalt Wolfgang Vogel (Sebastian Koch) ins Geschäft kommen.

Über weite Strecken inszeniert Spielberg, der hier die historischen Ereignisse um den ersten Agentenaustausch auf der Glienicker Brücke im Jahre 1962 aufgreift, seinen »Bridge of Spies« als klassischen Kalter-Krieg-Thriller. Dabei bedient er sich durchaus konventioneller Kontrastmittel: Während das retroschicke New York der 50er Jahre in goldenes Herbstlicht getaucht wird, herrscht in den grauen Ruinenlandschaften Ostberlins bitterkalter Winter. Wie der Drehbuchzufall es will, beobachtet der amerikanische Rechtsanwalt aus dem Berliner S-Bahn-Zug heraus, wie gerade eine Gruppe Flüchtender an der Mauer niedergeschossen wird. Das Motiv wird am Ende wieder aufgenommen, wenn Donavan aus einem New Yorker Nahverkehrszug blickt und ein paar Jugendliche frei und unbeschwert über die Hinterhofzäune turnen. Diesen wenig subtilen Mustern steht allerdings das aufrichtige Bemühen des Films gegenüber, einen durch historischen Abstand gereiften Blick auf den Kalten Krieg zu werfen. Dem machiavellistischen Machtkalkül der Regierungssysteme in Ost und West wird Tom Hanks als Held der Zivilgesellschaft gegenübergestellt, der weniger sein Vaterland als die vergilbten Werte der amerikanischen Verfassung zu verteidigen versucht.

Wenn der Film hartnäckig darauf besteht, dass auch politischen Gegnern ein fairer Prozess zusteht, liegt der Abgleich mit der Gegenwart auf der Hand. Denn ein Mann wie Abel würde heute sicherlich im rechtsfreien Raum von Guantanamo oder einer Folterkammer im verbündeten Ausland spurlos verschwinden.

... zum Interview mit Schauspieler Sebastian Koch

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