Buch-Tipp: Claudia Siefen-Leitich – Alice in Illness

Außer Betrieb

Wenn die Frau krank wird – gerät zunächst einmal der Haushalt ins Stocken. So wollen es Klischee und Konvention, die überall Einfluss nehmen, also auch im ­Kino. Für kranke Frauen im Film allerdings sind Berge schmutziger Wäsche und ungebügelter Hemden das kleinere bis gar kein Übel, steht doch die Krankheit der Frau im Film im Allgemeinen in einem wesentlich glamouröseren Kontext als die Krankheit der Frau im Zuschauerinnenraum. Nicht nur wird die Leinwandkranke oft von einer Leinwandgöttin verkörpert, sie lebt gern auch in sorgenfreien Verhältnissen, dergestalt, dass andere (Frauen natürlich) sich um die Wäsche kümmern, sie mit Tee und Suppe versorgen. Wenn es nicht gerade der Mann ist, der mit einem verdächtig illuminierten Glas Milch auf dem Tablett die Treppe zu ihrem Schlafgemach, jetzt Siechenlager, hinansteigt – wie 1941 der undurchschaubare Cary Grant zu Joan Fontaine in »Verdacht« von Alfred Hitchcock.

In »Alice in Illness. ›Kranke‹ Frauen im Film« macht sich Claudia Siefen-Leitich so ihre Gedanken zum Bild des Leidens und der Hilflosigkeit, das die ans Bett gefesselte Figur bietet. Allerdings sind dies keine geordneten Gedanken, sie folgen nicht akademischer und auch nicht argumentativer Konvention, wollen keine filmwissenschaftliche Untersuchung ergeben und auch keinen filmhistorischen Abriss. Sie sind viel mehr ein frei flottierender Gedankenspaziergang durch ein mit vielerlei Zitaten zum Thema und zahlreichen Filmstills bettlägeriger Frauen illustriertes Gelände, assoziativ, mäandernd und unbekümmert. Ein Denk-Rhizom mit Angebot zum Weiterspinnen.

Die Möglichkeiten dazu sind mannigfach. Denn die kranke Frau im Film verweigert ja immer auch die Funktion des Weiblichen, die Erwartungen der Gesellschaft, das ideale Bild, das man(n) sich von ihr macht. Sie ist in ihrer Rolle als Mutter, Versorgerin, Geliebte, wie Siefen-Leitich formuliert, »außer Betrieb (...) und kreist um sich selbst«. Was nun sagt es über die zugrunde liegende Geschlechterideologie aus, dass diese Art der Selbstermächtigung an das Passiv-im-Bett-Liegen geknüpft ist?

Seiner wilden Denkungsart und unbotmäßigen Stilistik wegen ist »Alice in Illness« ein lesenswertes Buch. Die geneigte Leserin sollte jedoch auch ein gerüttelt Maß an Leidensfähigkeit mitbringen, denn auf einen gründlichen Korrekturdurchlauf ebenso wie ein ordentliches Lektorat des Textes wurde offenbar verzichtet; möglicherweise aber habe ich nur die letzte Rechtschreibreform nicht mitbekommen.   

 


Claudia Siefen-Leitich: Alice in Illness. >Kranke< Frauen im Film. Schüren, Marburg 2022. 88 S., 18 €.

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