Buch-Tipp: Die Filme der Jessica Hausner

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Faszinierend ambivalent

Gerade mal fünf lange Spielfilme umfasst das Werk von Jessica Hausner bisher, doch mit visuell höchst ausgefeilten, vieldeutigen Arbeiten wie ihrem gefeierten Debüt »Lovely Rita« (2001), ihrem bisher größten Erfolg »Lourdes« von 2009 oder zuletzt dem Science-Fiction-Pflanzen-Thriller »Little Joe« wurde sie zu einer der wichtigsten Filmemacherinnen Österreichs wie Europas. In ihrer Dissertation an der Uni Klagenfurt untersucht Sabrina Gärtner auf beachtlichen 500 Seiten Hausners Gesamtwerk, zu dem außerdem fünf kurze Arbeiten gehören.

Im ersten von drei Hauptteilen des Buchs wird jedes Werk einzeln nach verschiedenen Aspekten von Produktion bis Auswertung aufgeschlüsselt sowie anhand eines Themas analysiert. Bei Hausners cleverer Kleist-Demontage »Amour Fou« ist das beispielsweise das Stilprinzip der »bewegten Stillleben«. Der zweite Teil versucht eine Verortung von Hausners Arbeit in Kontexten der »Nouvelle Vague Viennoise« sowie der »Berliner Schule«. Ganz filmanalytisch und als Lektüre gewiss am anregendsten ist Teil drei mit seiner ausführlichen Untersuchung von Märchenmotiven und wie sie Hausners Werk prägen. Auch hier, und meist in schlüssiger Zuordnung, wird pro Film jeweils ein Märchen-Topos genauer unter die Lupe genommen.

Gärtners Akribie und gründliches Quellenstudium beeindrucken, so schlüsselt sie im ersten Teil sogar Fördergelder und Zuschauerzahlen detailliert auf. En passant erzählt sie so auch die Geschichte der Produktionsfirma coop99 mit. Dass Gärtner auf eine ausführliche Filmografie mit Credits verzichtet, ist allerdings ein deutliches Manko. Leichter zu verschmerzen sind gelegentlich betuliche Formulierungen und Stilbrüche. Auch ist nicht jede Argumentationskette überzeugend. Insgesamt aber entsteht ein erfreulich facettenreiches Bild, das präzise die Eigenarten von Hausners Erzählen herausarbeitet. So unterhaltsam wie vielsagend sind zudem Details: So lässt »Lourdes«, ein Drama um eine vermeintlich wundersame Heilung am weltberühmten Wallfahrtsort, so verschiedene Lesarten zu, dass der Film sowohl mit dem dezidiert katholischen Signis-Preis als auch mit dem »Brian Award« (nach Monty Python) der Atheisten und Agnostiker ausgezeichnet wurde. Ziemlich anders fiel das Urteil des Bischofs von Tarbes und Lourdes aus: »Un film catastrophique«.

 

Sabrina Gärtner: Die Filme der Jessica Hausner – Referenzen, Kontexte, Muster. Büchner-Verlag, Marburg 2020. 537 S., 34 €.

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