DVD-Tipp: »The Captive« & »Devil's Knot«

Atom Egoyan am Set von »Devil's Knot« (2013)

Atom Egoyan am Set von »Devil's Knot« (2013) © Universum

Lust auf Genrekino

Die Filme des kanadischen Regisseurs Atom Egoyan, der mit The Sweet Hereafter bekannt wurde, kommen bei uns nur noch auf DVD heraus.

Der in Kairo geborene Kanadier armenischer Herkunft galt zu Beginn seiner Karriere vor 20 Jahren lange Zeit als Geheimtipp. In Atom Egoyans frühen Filmen wie Exotica und Das süße Jenseits geht es oft um gebrochene, tragische Figuren, um Verführung, Verrat, düstere Familiengeheimnisse, aber auch um die Komplexität von Erotik und Voyeurismus. Atom Egoyan nahm sich so kontroversen, schmerzlichen Themen wie Inzest oder dem Tod von Kindern an. In seinen beiden letzten Filmen Devil’s Knot und The Captive, die es beide weltweit nur vereinzelt auf die große Leinwand schafften, knüpft er in gewisser Weise wieder an Filme seines Frühwerks an. Dabei setzt Egoyan auf die Konventionen des Genrekinos, und er dreht mit Stars in den Hauptrollen.

Der 2013 in Toronto, San Sebastián, Zürich und Hamburg uraufgeführte Devil’s Knot ist ein erschütterndes Drama um die Folgen eines schrecklichen Mordes an drei kleinen Jungs 1993 in West Memphis, Arkansas. Schockierend ist neben dem Tod auch der folgende Justizirrtum. Schnell präsentierte die Polizei drei Jugendliche, die als »Satanisten« galten und angeblich einen Ritualmord verübt hatten. 1994 wurden sie verurteilt und 2011 endlich freigelassen. Der Fall, der als »West Memphis Three« in den USA bekannt ist, wurde auch in mehreren Büchern und zwei Dokumentarfilmen aufgegriffen. Das hat der Verfilmung und Rezeption dieses Spielfilms sehr geschadet.

Manche kamen nicht damit klar, dass der kanadische Filmemacher einen Film über die Machtlosigkeit und das allgemeine Versagen der amerikanischen Justiz gedreht hatte. In den USA gelangte das Werk dann auch nie richtig in die Kinos, was auch den deutschen Verleih dazu bewog, auf den Kinostart im Juni 2014 zu verzichten.

Dabei ist Devil’s Knot ein ebenso packender wie erschütternder Film mit herausragenden Darstellern und zwei Stars, die sich völlig zurücknehmen. Reese Witherspoon spielt eine der Mütter, die ihre Söhne verlieren, und Colin Firth einen Privatermittler, der versucht, die jugendlichen Angeklagten vor der Todesstrafe zu retten. In seiner komplexen Nacherzählung der Ereignisse rückt Atom Egoyan auch den fanatisch-religiösen Alltag im ländlichen Süden der USA in den Mittelpunkt und etabliert so eine Grundstimmung der Intoleranz. In seinem zweiten, längeren Teil wird der Film zu einem klassischen Gerichtsdrama und Genrefilm.

In Zürich gab Egoyan in einem Interview 2013 zu, sich zunehmend zum Genrekino hingezogen zu fühlen. Das spürt man auch in seinem Thriller The Captive. Stilistisch und ästhetisch ist dieser Film gelungener als der konventionellere Vorgänger. Dabei greift Atom Egoyan auf seine Vorliebe einer nicht linearen Erzählweise zurück und erweist sich erneut als eleganter, formvollendeter Regisseur.

Die etwas krude Geschichte handelt von einer Kindesentführung in einem kleinen Ort an den Niagarafällen. Matthew (sehr stark: Ryan Reynolds) kauft mitten auf einer Landstraße in einem Diner einen Kuchen und lässt seine 10-jährige Tochter Cassandra auf der Rückbank im Auto. Als er zurückkommt, ist das Mädchen weg. Die Polizei verdächtigt ihn, seine Ehe geht in die Brüche, und verzweifelt macht er sich nun jahrelang auf die Suche. Jahre später ist seine Tochter 18 geworden, wird in einem Haus von ihrem Entführer gefangen gehalten und schafft es langsam, den hochgradig perversen Biedermann zu manipulieren …

Natürlich denkt man an den Fall Natascha Kampusch, aber Atom Egoyan schafft es meisterhaft, einen Schurken zu etablieren, der erschreckend banal und dadurch umso gefährlicher wirkt. Mit The Captive findet Atom Egoyan eigentlich zu seinen Themen aus früheren Filmen zurück und löst beim männlichen Betrachter bewusst sehr zwiespältige Gefühle aus, wenn es um Voyeurismus und die erotische Verführungskraft junger Mädchen auf Männer geht.

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