Der Klassenkampf im Film

Come on, baby, eat the rich
»New Order – Die neue Weltordnung« (2020). © Ascot Elite / 24 Bilder

»New Order – Die neue Weltordnung« (2020). © Ascot Elite / 24 Bilder

An der Idee, dass nur der Kapitalismus allgemeinen Wohlstand ermöglicht, sind in den letzten Jahren Zweifel ge­kommen. Und es kann kein Zufall sein, dass das Kino gerade wieder verschärft von gewalt­tätigen Konflikten zwischen Superreichen und sozial Deklassierten erzählt. Sascha Westphal über das Echo von Marx und Engels in Genre- und Autorenfilmen von »The Hunt« bis »Parasite«

Ein Gespenst geht um im Kino. Zurzeit ist es jedoch nicht das Gespenst des Kommunismus, das einst Marx und Engels beschworen haben. Das spukt höchstens noch als vage Ahnung durch die Filme einiger weniger Regisseurinnen und Regisseure, die weiterhin an eine andere Ordnung der Welt und ihrer Wirtschaft glauben. Künstler wie Ken Loach oder Peter Watkins. In den Bildern und Schnitten ihrer Filme schwingt etwas von der revolutionären Kraft mit, die so entscheidend für die Avantgardisten des russischen Stummfilms war. Aber auch wenn die Idee des Kommunismus weitgehend verschwunden scheint, ist ein anderes, eng damit verwandtes Gespenst seit den Nullerjahren und erst recht aktuell wieder äußerst umtriebig: das des Klassenkampfes. Es zeigt sich in Genrefilmen aus Hollywood ebenso wie in sozialrealistischen Produktionen aus Europa, im koreanischen Kino wie im mexikanischen. 

Im Prinzip war die Geschichte des Kinos immer von Geschichten von Klassenkämpfen geprägt. Es führen Linien von russischen Filmemachern wie Sergei Michailowitsch Eisenstein und Wsewolod Illarionowitsch Pudowkin und vom deutschen Kino der Weimarer Republik zu den Gangsterfilmen der Warner Bros. und John Fords Verfilmung von John Steinbecks »Früchte des Zorns« und von dort aus weiter über das neorealistische Kino der 1940er und 50er Jahre zur Nouvelle Vague und zum New Hollywood.

Aber selbst diese Linien offenbaren nur einen kleinen Teil eines globalen Netzes von Filmen und Stilen, die mal ganz offen, mal eher indirekt den Kampf der Klassen abgebildet und gelegentlich auch vorangetrieben haben.

Krisenkapitalismus und Volkszorn

1989 bedeutete keineswegs das Ende der Geschichte und schon gar nicht den Abschluss der Klassenkämpfe. Entgegen der Erwartung derer, die dachten, dass sich mit dem Ende des Kalten Krieges und der Auflösung des Warschauer Pakts auch die Fronten innerhalb der kapitalistischen Ordnung auflösen würden, sind diese nicht nur bestehen geblieben. Sie haben sich in den vergangenen 30 Jahren sogar verschärft. Während im Zuge der Finanzkrisen des ausgehenden 20. und beginnenden 21. Jahrhunderts die Kluft zwischen Arm und Reich weiter gewachsen ist, wurden in vielen Staaten die sozialen Systeme beschnitten und damit auch die Möglichkeiten, die Auswirkungen der Krisen abzufedern. Zugleich wurden Banken gerettet, deren Manager sich sofort wieder hohe Boni ausgezahlt haben. Entwicklungen wie diese prägen das gegenwärtige Kino. Mehr und mehr Regisseure reagieren auf sie mit Filmen, die auf der einen Seite von der Machtlosigkeit und der Wut derer zeugen, die ständig um ihre Existenz fürchten müssen, und auf der anderen den Zynismus derer porträtieren, die immer mehr Macht und Reichtum anhäufen. So erlebt das Kino der Klassenkämpfe eine neue Blütezeit. Den Genrefilmen kam in diesem Zusammenhang immer schon eine besondere Bedeutung zu. Und das gilt erst recht heute, da ein Gangsterfilm nicht mehr auf den Satz »crime doesn't pay« enden muss und der Schrecken des Horrorfilms sich nicht mehr innerhalb von neunzig Minuten restlos austreiben lässt.

Die Spiele der Learjet-Liberalen

Eine kleine Gruppe von Menschen erwacht auf einer Waldlichtung. Sie wissen weder, wo sie sind, noch, wie sie dort hingekommen sind. Für Fragen dieser Art bleibt allerdings auch keine Zeit. Wenige Momente nach ihrem Erwachen werden sie überfallen, und die Waffen, die sie auf der Lichtung gefunden haben, sind keine große Hilfe: Der Angriff kommt zu überraschend, ist zu gut organisiert. Für die, die diese ersten Momente von »The Hunt« (2020) überleben, beginnt eine gnadenlose Jagd, in deren Verlauf sie feststellen, dass sie aus den Vereinigten Staaten nach Osteuropa verschleppt wurden. Ihre Entführer und Jäger sind ein kleiner Haufen liberaler, der Partei der Demokraten nahestehender Multimillionäre und Wirtschaftsbosse.

Craig Zobels bitterböse Satire geht wie Irving Pichels und Ernst B. Schoedsacks Horrorklassiker »Graf Zaroff – Genie des Bösen« und viele andere Filme, in denen Menschen Jagd auf Menschen machen, auf Richard Connells Kurzgeschichte »The Most Dangerous Game« zurück. Und wie seine Vorgänger lässt Zobel keinen Zweifel daran, dass diese Erzählung von einer besonderen Variante des Kampfes der Bourgeoisie gegen das Proletariat zeugt. Wer über Geld und Macht verfügt, kann sich zum Herrscher über Leben und Tod anderer, weniger privilegierter Menschen machen. In »The Hunt« bekommt dieses Szenario eine weitere Komponente.

Die Opfer, die die Vertreterinnen und Vertreter der US-amerikanischen Elite in einem Learjet verschleppt haben, sind nicht willkürlich ausgewählt. Es sind auch keine Obdachlosen, wie sie in Ernest R. Dickersons »Surviving the Game« gejagt wurden. Vielmehr sind sie Teil der MAGA-Bewegung: Menschen, die im Netz Verschwörungstheorien verbreiten. Eine diese Theorien besagte, dass reiche Demokraten sich verabreden, um auf Menschenjagd zu gehen. Eben dieses boshafte Gerücht, das wie »Pizzagate« und QAnon Ausdruck eines tiefgreifenden Kulturkampfs in den Vereinigten Staaten ist, eines Kulturkampfs, der zugleich eine moderne, von rassistischen und faschistoiden Fantasien angeheizte Variation eines Klassenkampfes ist, hat die von Hilary Swank gespielte Athena und ihre Gruppe auf die Idee gebracht, tatsächlich eine Jagd zu inszenieren.

Eine Verschwörungstheorie schafft eine neue Realität, in der die, die andere durch Falschinformationen aufhetzen, ihren eigenen Lügen zum Opfer fallen. Das hat in Zobels satirischer Abrechnung mit dem von Trump und seinen Anhängern an den Rand eines Bürgerkriegs getriebenen Amerika durchaus etwas von ausgleichender Gerechtigkeit. Allerdings schlägt sich der Film keineswegs auf die Seite der Jägerinnen und Jäger. Die sind ebenso wie ihre Opfer Karikaturen. Wenn einige von ihnen Lobeshymnen auf die politisch korrekte Sprache singen, während sie auf die Gelegenheit warten, Rednecks und Trump-Anhänger umzubringen, wird die Heuchelei des demokratischen Establishments offenbar, das auch kein Interesse an sozialen und wirtschaftlichen Veränderungen hat.

Anders als der »Joker« von Todd Phillips, der die Origin Story des berühmtesten DC-Schurken in eine Warnung vor den mörderischen Gewaltfantasien der »Abgehängten« verwandelt, und anders als der neue mexikanische Thriller »New Order – Die neue Weltordnung«, in dem Regisseur und Drehbuchautor Michel Franco das aufständische Proletariat als wahllos mordenden Mob porträtiert, der sich von skrupellosen Politikern und Militärs instrumentalisieren lässt, erweist sich »The Hunt« als wirklich komplexe Darstellung gegenwärtiger Verhältnisse. Sowohl Phillips als auch Franco behaupten in ihren Filmen nur Ambivalenz und diskreditieren am Ende die Revolte der Ausgebeuteten. In letzter Konsequenz fordern »Joker« und »New Order« das Proletariat auf, sich mit seiner Rolle und Funktion innerhalb des kapitalistischen Systems abzufinden. Denn jeder Versuch, etwas zu verändern, scheint hier nur zu verbrecherischen Exzessen oder einem faschistischen Regime zu führen.

Zombies, das Lumpen­proletariat des Genrefilms

Jahrelang hat der von Simon Baker gespielte Riley Denbo in »Land of the Dead« (2005) für seine Auftraggeber Zombies getötet. Immer wieder hat er Missionen übernommen, die ihn in das von den wandelnden Toten bevölkerte Umland von Pittsburgh führten, um dort Vorräte für die Menschen in der Stadt zu organisieren. Nun hat er nur noch ein Ziel vor Augen: Pittsburgh und den Krieg der Lebenden gegen die Toten hinter sich zu lassen. Aber bevor Riley mit einer Handvoll Mitstreiterinnen und Mitstreitern in Richtung Norden aufbricht, trifft er eine ebenso überraschende wie konsequente Entscheidung. Statt die von dem ehemaligen Automechaniker und Tankwart Big Daddy angeführte Zombiearmee anzugreifen und vielleicht sogar zu vernichten, lässt er sie gewähren und sieht zu, wie sie sich über eine ansteigende Brücke auf den Weg in die Stadt macht. Denn die Zombies, sagt er zu einer Gefährtin, suchen wie sie selbst nur einen Platz, an dem sie ungestört leben können.

George A. Romeros Zombiefilme waren immer auch politische Allegorien. Die lebenden Toten, die in »Dawn of the Dead« durch eine Mall wankten, waren als zugespitztes Bild für die Massen von Menschen kenntlich, die Tag für Tag durch die US-amerikanischen Malls strömen – »Konsumzombies«. Aber erst mit »Land of the Dead« hat Romero sich der von Marx und Engels skizzierten Philosophie von Geschichte angenommen. »Die Geschichte aller bisherigen Gesellschaft ist die Geschichte von Klassenkämpfen.« Dieser Satz hallt durch jede Einstellung des Films. Dabei finden Klassenkämpfe nicht mehr nur zwischen dem Proletariat und der Bourgeoisie statt. Es gibt noch einen zweiten Frontverlauf, und der geht mitten durch die Reihen des Proletariats. Riley und alle, die ihren Lebensunterhalt damit verdienen, Zombies zu töten, lassen sich von den Herrschenden instrumentalisieren und sichern den Fortbestand des Systems.

Es liegt nahe, dass Rileys rechte Hand Cholo den Reichen den Krieg erklärt, als sie ihn nicht in ihren Reihen aufnehmen wollen. Sein Angriff auf den Luxushochhauskomplex Fiddler's Green und seinen früheren Boss spiegelt all die Aufstände, die Marx und Engels als zentralen Aspekt der »Geschichte aller bisherigen Gesellschaft« ausgemacht haben. Aber es ist ein egoistischer Kampf: Es geht Cholo nur um Partizipation am Reichtum der wenigen, nicht um eine Veränderung der Verhältnisse. Riley dagegen steigt aus dem ihm aufgezwungenen Kampf des Proletariats gegen das »Lumpenproletariat« – und nichts anderes verkörpern die lebenden Toten in »Land of the Dead« – aus und ermöglicht damit eine Revolution.

Klassenkampf von oben

Wenn es gegenwärtig einen Filmemacher gibt, der das Erbe von George A. Romero antritt und versucht, das subversive Potenzial des Genrekinos auszuschöpfen, dann ist es James DeMonaco. Die von ihm geschriebene und inszenierte Purge-Serie »The Purge – Die Säuberung«, »The Purge: Anarchy«, »The Purge: Election Year« und Gerard McMurrays »The First Purge«, zu dem DeMonaco das Drehbuch verfasst hat, werfen einen illusionslosen Blick auf die US-amerikanische Gesellschaft. The purge: diese zwölf Stunden legalisierter Gesetzlosigkeit, in denen sich die Menschen angeblich von ihren destruktiven Impulsen reinigen sollen, meint tatsächlich eine ganz andere Form von Säuberung. Es geht nicht um Läuterung, sondern um handfeste finanzielle und politische Interessen. Die herrschende Partei, in der sich unschwer eine radikalisierte, von evangelikalen Kräften dominierte Variante der Republikaner erkennen lässt, hat mit der jährlich stattfindenden purge einen Weg gefunden, den Klassenkampf von oben zu institutionalisieren. Das deutet sich schon im ersten Teil der Reihe an, auch wenn er vor allem von Verteilungskämpfen in der oberen Mittel­schicht erzählt.

»The First Purge« (2018). © Universal Pictures

Die beiden offensichtlich von Romero und John-Carpenter-Filmen wie »Die Klapperschlange« oder »Sie leben!« beeinflussten Fortsetzungen lassen keinen Zweifel mehr daran, dass die purge night ein großangelegter Angriff auf die Armen, ein mehr und mehr überflüssig gewordenes Proletariat, ist. Die paramilitärischen Trucks in »The Purge: Anarchy« und die Todesschwadronen in »The Purge: Election Year« sind eine fast schon industrialisierte Art des Tötens. Aber eben der mörderische Krieg, den die Reichen und Mächtigen eine Nacht lang offen gegen die Armen führen, schweißt diese zusammen. Während die Heldinnen und Helden des zweiten Teils der Reihe noch an die losen Zweckbündnisse von typisch amerikanischen Einzelgängern erinnern, die Carpenter und Romero als im Grunde anarchistische Rebellen gezeigt haben, propagiert DeMonaco in »The Purge: Election Year« und »The First Purge«, in dem Aktivistinnen und Drogendealer gemeinsam gegen den staatlich organisierten Terror kämpfen, eine Solidarität der Ausgegrenzten, die den Klassenkampf von oben in einen von unten verwandeln kann und das Potenzial hat, die Vereinigten Staaten von Grund auf zu verändern.

Der Wert des Menschen

So schlägt James DeMonaco mit seinen kompromisslosen Genrearbeiten einen Bogen zu einem ganz anderen Kino des Klassenkampfes – zu den Auteurs. Wie DeMonaco sind auch Ken Loach und der japanische Filmemacher Hirokazu Kore-eda davon überzeugt, dass unsere Gegenwart von verdrängten und verschleierten Klassenkämpfen bestimmt wird. Die Figuren in Loachs »Ich, Daniel ­Blake« und Kore-edas »Shoplifters« sehen sich mit einem System konfrontiert, das ihnen keinen Weg aus der Armut lässt. Ihre Existenz ist ein einziger, nicht enden wollender Überlebenskampf, der ihnen jede Kraft für einen Kampf gegen das System raubt.

»Shoplifters – Familienbande« (2018). © Wild Bunch

Aber anders als in den Filmen des französischen Kollegen Stéphane Brizé, der mit »Der Wert des Menschen« und »Streik« zwei überaus realistische Porträts des Arbeitslebens im frühen 21. Jahrhundert gedreht hat, gibt es in Loachs und Kore-edas Werken einen Rest von Hoffnung. Momente von Solidarität innerhalb des Proletariats verändern zwar nicht die Zustände. Aber sie machen sie für kurze Zeit erträglich. Der Ladenbesitzer, der in »Shoplifters« bewusst wegsieht, wenn Mitglieder der Wahlfamilie mal wieder etwas bei ihm klauen, oder auch die Freundschaft zwischen dem arbeitsunfähigen Zimmermann Daniel Blake und der alleinerziehenden Mutter Katie zeugen von einer Menschlichkeit, die sich selbst unter widrigsten Umständen noch manifestieren kann. Eine Revolution ist in diesen Filmen ebenso wie in denen Brizés nicht vorstellbar. Aber vielleicht können diese kleinen Akte von Solidarität dennoch etwas bewegen.

Jeder gegen jeden

Eine Spur dieser vielleicht irrationalen Hoffnung findet sich auch in den Arbeiten des Filmemachers, der im Moment wie kaum ein anderer für ein klassenbewusstes Kino steht. In »Snowpiercer«, »Sea Fog«, an dessen Drehbuch er mitgearbeitet hat, und zuletzt »Parasite« hat der koreanische Oscarpreisträger Bong Joon-ho die Auswirkungen des kapitalistischen Systems auf die, denen nichts bleibt als ihre Arbeitskraft und damit sich selbst zu verkaufen, auf ex­trem drastische Art in allegorische Filmbilder verwandelt.

In dem dystopischen Science-Fiction-Film »Snowpiercer« findet sogar eine sehr konkrete Revolte des Proletariats gegen seine Unter­drücker statt. Allerdings ist dieser Klassenkampf nichts weiter als ein vom System einkalkuliertes und sogar gewolltes Ritual, an dessen Ende die Perpetuierung der Verhältnisse steht. Dieses düstere Bild einer Zukunft, die offensichtlich ein Spiegel unserer Gegenwart ist, hat Bong in »Sea Fog«, einem brutalen Drama über das Geschäft, das sich in Südkorea mit illegalen Flücht­lingen ­machen lässt, und »Parasite« noch konkretisiert.

»Parasite« (2019). © Koch Films

In diesen Filmen, die mit den Mitteln des Genrekinos vom gegenwärtigen Leben in Südkorea erzählen, findet der Kampf der Klassen vor allem innerhalb des Proletariats statt. Die Ausgebeuteten bekämpfen einander. An Solidarität ist in einer Gesellschaft, in der der Schwache bei jeder sich bietenden Gelegenheit dem noch Schwächeren den Krieg erklärt, nicht zu denken. Ein noch zynischeres Bild der Welt hat nur Ben Wheatley in seiner Verfilmung von J. G. Ballards Roman »High Rise« gezeichnet. Das titelgebende Hochhaus wird zum Mikrokosmos einer Gesellschaft, in der die Reichen auf die perfideste Weise auf die Forderungen der weniger Privilegierten reagieren. Deren Proteste werden mit boshaften Attacken beantwortet, die die bestehenden Verhältnisse zementieren sollen, aber letztlich in den Niedergang aller münden. Der Zusammenstoß der Klassen in dem Hochhaus führt zu einer allgemeinen Verrohung und einer Form von Anarchie, in der das »wölfische« Wesen des Menschen triumphiert.

Die Strategie der ­Kommune

Das Gespenst des Klassenkampfes, das gerade im Kino umgeht, ist alles in allem eines, das kaum noch Hoffnung hat. Die meisten Filmemacher, die von der zerstörerischen Macht des vorherrschenden Systems erzählen, glauben nicht mehr daran, dass es sich noch verändern oder gar revolutionieren ließe. Aber es gibt auch einen Film, der sich nicht nur einem ganz realen Klassenkampf, dem mit äußerster Brutalität niedergeschlagenen Aufstand der Pariser Kommune im Jahr 1871, widmet, sondern Alternativen zum Status quo zeigt. Peter Watkins' 1999 gedrehtes und 2000 im Fernsehen uraufgeführtes Opus magnum »La commune« (Paris, 1871) rekonstruiert die historischen Ereignisse und befragt sie zugleich aus der Sicht unserer Zeit. Die Revolution wird im Fernsehen übertragen, wobei zwei Sender, »National TV Versailles« und »Commune TV«, und damit zwei unterschiedliche politische Haltungen konkurrieren.

So thematisiert Watkins auch die Macht und die Verantwortung der Medien. Dass er zudem seine eigene Rolle als Filmemacher durch sein größtenteils aus Laien bestehendes Ensemble diskutieren lässt, ist ein weiterer Aspekt des Ansatzes, ganz im Sinne Godards, politische Filme politisch zu machen. »La commune« erzählt nicht nur von der Entstehung und dem Untergang der Pariser Kommune. Der Film selbst ist das Werk einer mehr als 200 Beteiligte umfassenden Gruppe von Menschen, die sich an ein wahrhaft kollaboratives Experiment gewagt hat. Vor allem im zweiten Teil des fast fünfstündigen Films finden sich immer Szenen, in denen die Akteurinnen und Akteure über ihre persönliche Sicht auf die Kommune und die Menschen, die sie verkörpern, sprechen. Die Notwendigkeit gesellschaftlicher Veränderungen wird anhand eines künstlerischen Prozesses exemplifiziert. »La commune« (Paris, 1871) repräsentiert damit einen unblutigen, auf Diskussionen und gemeinschaftlichem Arbeiten basierenden Klassenkampf, der in den Medien beginnt und sich als Beispiel für andere, weiterreichende Aktionen versteht.

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