Kritik zu Blackhat

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Zerstörungswillige Hacker, die Zugriffsbarrieren von Computern und Netzwerken knacken, nennt man in Anlehnung an die verdächtigen Hüte von frühen Westernschurken »Blackhat«. Michael Manns gleichnamiger Film kämpft um die Errettung der physischen Welt im Cyberthriller

Bewertung: 3
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2 (Stimmen: 3)

Bis vor einigen Jahren konnte man sich darauf verlassen, dass die Helden von Michael Manns Filmen einen genauen Lebensplan hatten. Der Einbrecher in seinem Kinodebüt Der Einzelgänger fixierte seinen Traum von der Zeit nach dem Gefängnis auf einer postkartengroßen Collage. Der Taxifahrer in Collateral hielt seine Vorkehrungen für die Zukunft in gleicher Weise fest. Der Gangsterboss in Heat hatte einen ausgeklügelten Fluchtplan, der es ihm erlaubte, seine bisherige Existenz binnen 30 Sekunden hinter sich zu lassen.

Hathaway (Chris Hemsworth) jedoch, der Protagonist von Blackhat, hegt keine Ambitionen für die Zeit, nachdem er seine Gefängnisstrafe abgesessen hat. Der zu Gewaltausbrüchen neigende Hacker findet, er habe seine Strafe verdient und trägt nur mehr Sorge dafür, dass er die Haft unbeschadet übersteht. Ist er das Symptom eines drohenden Vitalitätsverlustes, der sich im Werk dieses klugen Existenzialisten unter den Genreregisseuren Hollywoods breitmachen könnte? Stets ging es Mann ja um die Ermächtigung des Individuums in einer feindseligen Welt. Der Furor seiner Actionfilme war wohl überlegt, er dachte meist einen Schritt weiter als seine Kollegen.

Das tut er auch in seinem neuesten Film; wenngleich das Genre des Cyberthrillers nicht mehr taufrisch ist. Mann setzt sich indes mit dem Fehlen internationaler Schranken gegen Cyberverbrechen in ungekannter Weise auseinander. Als in China durch einen Hackeranschlag eine Kernschmelze in einem Atomkraftwerk ausgelöst und kurz darauf die Werte von Soja an der Chicagoer Börse manipuliert werden, entschließen sich die Geheimdienste in den USA und China zu einer Kooperation. Ein chinesischer Offizier (Leehom Wang) erkennt, dass der vom Hacker benutzte Code ursprünglich von seinem Studienfreund Hathaway geschrieben wurde. Da dieser für die Suche und Überlistung nach dem Schuldigen unverzichtbar ist, bekommt er unter strengen Auflagen Hafturlaub. Seine Suche führt das bilaterale Kommandounternehmen von den USA nach Hongkong, Malaysia und Indonesien. Jäger und Gejagte wechseln ein paar Mal die Rollen, die Beweggründe und Identität des Hackers bleiben lange Zeit im Dunkeln.

Mit der Unsichtbarkeit des Oberschurken geht der Film ein erhebliches Risiko ein. Manns Filme bezogen ihre Spannung bisher aus der Konfrontation charismatischer Gegenspieler. Blackhat hat er ausgesprochen unprominent (mit Ausnahme von Hemsworth und Viola Davis als FBI-Agentin) besetzt. Auf der Gegenseite bekommt zunächst nur der Adjutant des Hackers ein rabiates Antlitz. Ihm selbst gebricht es, als er endlich in Erscheinung tritt, fatal an Aura. Diese Strategie trägt zwar der Gesichtslosigkeit solcher Verbrechen Rechnung. Die Unmittelbarkeit, die ein Thriller verlangt, lässt sich so aber nur schwer herstellen. Im Gegenzug setzt Mann ein deutliches Zeichen, indem er den Titan Hemsworth in der Hauptrolle des Hackerfilms besetzt. Der besitzt zweifelsohne physische Präsenz, was dem ständigen Hantieren mit Keyboards allerdings noch keine ausreichende visuelle Fallhöhe verleiht.

Blackhat führt vor Augen, wie schwer es ist, Kinobilder für den Cyberkrieg zu finden. Er setzt ein mit dem Blick auf den Erdball aus der Perspektive des Alls, um diesen sodann in die mikroskopischen Innenwelten von Platinen und digitalen Netzwerken zu versenken. Das kommt Manns Faible für Muster und Strukturen entgegen, entzieht sich jedoch der Dimension menschlichen Erlebens. Aus den Fesseln der Ortlosigkeit muss der Film sich mühsam befreien. Von der Abstraktion entfernt er sich um den Preis, ein handelsüblicher Actionthriller zu werden. Zunächst wird der Krieg an Computern geführt, dann mit Schusswaffen und am Ende mit Messern und Schraubenziehern. Nachdem die Überlebenden dem Genre die physische Konkretion zurückerstattet haben, dürfen sie in der Schemenhaftigkeit sich auflösender Überwachungsbilder verschwinden.

... zum Thema »Hacker im Film« von Andreas Busche

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