Kritik zu Rückkehr nach Ithaka

© Piffl Medien

Regisseur Uberto Pasolini erzählt die griechische Tragödie von der Heimkehr des Odysseus nach und lässt die Traumata von Heimkehrer und Zurückgebliebenen aufeinanderprallen

Bewertung: 4
Leserbewertung
0
Noch keine Bewertungen vorhanden

Die Heimkehr des Soldaten aus dem Krieg ist keine leichte Übung. Das Heim hat sich verändert, der Soldat ist ein anderer geworden. Vielleicht fragen sich die Zurückgebliebenen, die, die gewartet haben, was der Wiedergekehrte wohl so gemacht haben mag, im Krieg. Kann einer überhaupt unbeschadet hervorgehen aus physischer Auseinandersetzung mit gegenseitiger Tötungsabsicht? Und vielleicht findet auch der Soldat sich in der einst vertrauten Umgebung nicht mehr zurecht, hegt Zweifel und Verdacht, hadert: mit den Umständen und mit sich selbst.

Entlang solcherlei Überlegungen erzählt der italienische Regisseur Uberto Pasolini seine Version der Rückkehr des Odysseus – eines der großen Helden der Antike, neben Hektor und Achill – auf dessen Heimatinsel Ithaka. Dort hatte er einst seine Königin Penelope zurückgelassen und den gemeinsamen Sohn Telemachos, um in den Trojanischen Krieg zu ziehen. Ein fürchterliches Gemetzel, ausgetragen um die schöne Helena und vom ersten unter den Dichtern, Homer, in der »Ilias« in die wunderbarsten Verse gekleidet. Ein ruhmreiches Unterfangen, doch um welchen Preis? Pasolinis Version ist antiglanzlos. Das fängt bereits mit Kleidung und Ausstattung an. Haarige Männerbrust, Lendenschurz, nackte Beine, die Frauen in schlichte Umhänge gehüllt; die Unterkünfte sind bescheiden, das Leben ist hart. Die schicke Rüstung und den Marmorpalast hat der Hollywood-Film erfunden. Eines Tages spült es einen ausgemergelten Alten an den Strand, in dessen Augen der Lebensfunke aufleuchtet, als er hört, es handle sich bei diesem Eiland um Ithaka. Doch zu erkennen gibt Odysseus sich nicht, denn die Lage ist nicht ungefährlich. Allzu lange war er dem Zauber der Kirke unterlegen – Homer hatte Zeit genug, die »Odyssee« zu schreiben –, keiner rechnet mehr mit seiner Rückkunft, die Freier um seine Frau liegen auf der Lauer; Rüpel, die immer ungeduldiger Penelopes Entscheidung harren. Denn dass die Frau ohne Mann herrscht – undenkbar!

Ralph Fiennes als Odysseus und Juliette Binoche als Penelope wählen die schauspielerische Strategie der Verinnerlichung des Konflikts und überlassen das plakative Anheizen lange den anderen. Fiennes präsentiert den geschundenen Kriegerkörper ohne Triumph, Binoche stellt das unterdrückte Sehnen nicht aus, und doch laden beider Figuren Ratlosigkeit und Verzweiflung die Atmosphäre mit zunehmender Spannung auf. Der Leidensdruck entlädt sich beim großen Aufräumen, als Penelope die Freier auf die Probe stellt und Odysseus sich zu erkennen gibt. Einmal noch bietet er alle Kraft auf; der Alte zeigt dem Jungen, wo der Hammer hängt, Odysseus führt den Telemachos in die männliche Tradition des Blutbadens ein. Mit Grauen sieht die Frau, zu welchem Tun das Leben, das sie spendet, fähig ist.

»Rückkehr nach Ithaka« ist ein klar strukturierter, bescheidener Film, ernüchternd und ebenso wahr – bis hin zur Andeutung, dass Heimkehrer und Daheimgebliebene neuerlich zueinanderfinden und das Trauma überwunden werden kann, gemeinsam.

Meinung zum Thema

Ihre Meinung ist gefragt, Schreiben Sie uns

Mit dieser Frage versuchen wir sicherzustellen, dass kein Computer dieses Formular abschickt