Kritik zu Yunan
In seinem zweiten Spielfilm erzählt Ameer Fakher Eldin leise und bedächtig von einem syrischen Schriftsteller, der im deutschen Exil eine rätselhafte Atemnot und Depressionen entwickelt. In der zweiten Hauptrolle: eine Nordseehallig
Sowohl in der Bibel als auch im Koran gibt es die Geschichte von Jona beziehungsweise Yunus, der sterben wollte, aber im Bauch eines Wals (oder je nach Überlieferung einfach eines Fischs) überlebte und nach Tagen des Nachdenkens geläutert ausgespuckt wurde. Der Titel von Ameer Fakher Eldins Film dürfte sich auf diese Geschichte beziehen, darauf deutet nicht nur ein am Ende an den Strand gespülter toter Wal hin. Auch der Protagonist Munir (Georges Khabbaz) zieht sich gewissermaßen zum Sterben zurück. Der in Deutschland im Exil lebende syrische Autor befindet sich in einer Lebenskrise. Er vermisst seine Heimat, der Kontakt zu seiner wohl noch dort lebenden Mutter gestaltet sich schwierig, außerdem leidet er unter physisch nicht zu erklärender Atemnot. Nachdem sein Arzt ihm zu einer Auszeit rät, begibt sich Munir auf eine abgelegene Hallig in der Nordsee. Hier möchte er zur Ruhe kommen, was in diesem Fall bedeutet, sich das Leben zu nehmen, eine Pistole hat Munir jedenfalls schon parat.
Doch der Aufenthalt auf der Hallig weckt neue Lebensgeister. Ähnlich wie Jona/Yunus erkennt auch Munir, dass der Tod kein Ausweg aus seiner Verzweiflung ist. Einen wesentlichen Beitrag zu diesem Prozess leistet die Pensionswirtin Valeska (Hanna Schygulla), der es mit ihrer grundherzlichen Art und ihrem feinen trockenen Humor gelingt, das Vertrauen von Munir zu gewinnen. Es sind kleine Momente, die Munir wieder Kraft geben, etwa wenn er in einem Gespräch mit Valeska urplötzlich und vermutlich zum ersten Mal nach langer Zeit lachen muss. Dass Munir wortwörtlich wieder durchatmen kann, dürfte außerdem an der rauen, meditativen Kraft der Nordsee liegen, die hier zwischenzeitlich zu einer großen Sturmflut anschwillt und in beeindruckenden Bildern festgehalten wird.
Regisseur Ameer Fakher Eldin wuchs als Sohn syrischer Eltern in den Golanhöhen auf und lebt mittlerweile in Deutschland. In seinem zweiten Spielfilm nach »The Stranger« (2021) verarbeitet er Themen wie Heimatlosigkeit, Fremdheit und Melancholie. So wie die Genesung von Munir langsam vonstattengeht, bleibt auch das Erzähltempo ruhig und bedächtig. Viel geschieht in »Yunan« ohne Worte: Munir ist oft allein in der Einsamkeit der Hallig zu sehen, aber auch die Interaktionen mit Valeska und den anderen Bewohnern, die ihm zunächst mit Skepsis begegnen und schließlich in ihren Kreis aufnehmen, vollziehen sich ohne viel Dialoge. Das lässt dem Publikum Raum für Interpretation, sorgt aber auch für Distanz. Über Munirs Vorgeschichte, etwa warum er nach Deutschland gekommen ist, erfährt man wenig, seine Gedanken lassen sich nur erahnen.
Rätselhaft bleiben auch die immer wieder eingespielten Sequenzen, die Sibel Kekilli als Schafhirtin in einer Berglandschaft zeigen. Sind diese geradezu kitschig wirkenden Bilder konkrete Erinnerungen von Munir oder spiegeln sie abstrakte Sehnsüchte wider? Wie bei vielem können die Zuschauer:innen hierüber nur spekulieren. Die großen Themen und Metaphern, sie sind in diesem Film spür-, aber kaum greifbar.





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