Interview: Jennifer Lawrence über »Die My Love«
Lynne Ramsay und Jennifer Lawrence am Set von »Die My Love« (2025). © MUBI/Kimberly French
»Ich konnte mich gut mit diesem Gefühl identifizieren, allein oder missverstanden zu sein«
Sie sind Hauptdarstellerin und Produzentin des Films. Wie haben Sie diese Doppelrolle unter einen Hut bekommen?
Jennifer Lawrence: Als Schauspielerin bin ich es gewohnt, am Set schnell auf kreative Wünsche zu reagieren, um den Drehplan einzuhalten. Das Tolle am Produzieren ist, wenn man am Set etwas entstehen sieht, das zuvor nur eine Idee war. Als ich das Buch las, war ich fasziniert, konnte mir aber lange nicht vorstellen, wie man das filmisch umsetzt. Lynne Ramsay war die einzige Person, von der ich dachte, dass sie das schaffen könnte. Wir haben lange daran gearbeitet, bevor wir endlich drehten, und erst da wird es durch die Schauspieler lebendig. Diese Entwicklung zu sehen und zu begleiten, war ein großes Geschenk. Vor und hinter der Kamera.
Wie bereitet man sich mental oder emotional auf eine Rolle wie die von Grace vor, die sich in Isolation und Psychose zurückzieht und mit ihrer Mutterschaft zu kämpfen hat?
Bevor ich am Set bin und mit den anderen interagiere, habe ich nicht wirklich Antworten auf solche Fragen. Es war das erste Mal, dass ich während Dreharbeiten schwanger war. Meine Sorge war natürlich, meinen Körper ruhig und hydriert zu halten, alles für das Wohlergehen meines Babys zu tun. Das war neu. Ich musste mir vorher nie Gedanken um meinen Körper machen, wenn ich für eine Szene extreme Emotionen hervorrufe oder mein Adrenalinsystem ankurbele. Und jetzt musste ich bei diesen Dingen auch an jemand anderen denken. Die Schwangerschaft war letztendlich sogar hilfreich, weil ich im zweiten Trimester war und nach Monaten der Übelkeit endlich wieder mehr Energie hatte.
Gab es als Mutter Dinge, die Ihnen nahegingen oder für Sie völliges Neuland waren?
Ich habe selbst immer wieder unter Angstzuständen und Depressionen gelitten und konnte mich sehr gut mit diesem Gefühl der Isolation identifizieren, allein oder missverstanden zu sein. Grace hat Angst davor, einfach zu verschwinden und von ihrem Mann nicht wahrgenommen zu werden. Weil ich bereits einmal Mutter war, war es für mich eine größere Herausforderung, wie Grace mit ihrem Neugeborenen umgeht, weil ich mich in bestimmten Situationen ganz anders verhalten würde. Und als ich nach dem Dreh mein zweites Kind bekam, hatte ich wirklich schwere postpartale Probleme, und es war sehr seltsam für mich, den Film noch einmal zu sehen.
Lynne Ramsay ist dafür bekannt, ihre Schauspieler zu fordern. Gab es eine Szene, bei der sich Ihre Herangehensweise unter ihrer Regie komplett geändert hat?
Da fällt mir nur ein Moment ein: Robert Pattinson und ich probten diesen aggressiven Tanz, eine Art Angriffsszene. Und dann kam Lynne am Drehtag und bat uns plötzlich, es nackt zu spielen. Das war eine Überraschung. Abgesehen davon habe ich sie eher als eine präzise Beobachterin erlebt. Wenn ihr eine Stimmung gefiel, hat sie sich noch etwas eingehender damit beschäftigt, um sie ganz zur Wirkung zu bringen. Und wir haben sehr ausführlich und immer wieder über Graces geistige Verfassung diskutiert, das war oft auch emotional, weil wir beide keine besonders technischen Menschen sind. Aber ich habe sie nicht als übermäßig fordernd empfunden.
Wie gelingt Ihnen beim Verkörpern dieser Figur die Balance zwischen Empathie und einer Ambivalenz in Bezug auf deren mentalen Zustand?
Ich muss einfach ehrlich und offen bleiben. Diese Visionen und was sie erlebt, sind für Grace sehr real. Wenn ich diese Figur erschaffe, empfinde ich natürlich Mitgefühl für sie. Ich kann aber auch akzeptieren, dass es einige Charakterzüge und Entscheidungen gibt, die sehr unsympathisch sind.
Wenn Grace eine reale Person wäre, wenn sie jetzt hier wäre, welchen Rat oder welchen Trost würden Sie ihr geben?
Ich würde ihr wahrscheinlich sagen, sie solle zur Therapie gehen und Medikamente nehmen. Aber ich glaube nicht, dass sie auf mich hören oder mich sehr mögen würde. Mir fällt es generell schwer, zu verstehen, warum mich irgendjemand mag.
Ist diese Erfahrung vor und hinter der Kamera womöglich ein Schritt in Richtung Regie?
Ich würde sehr gern einen eigenen Film inszenieren. Schon seit meiner Jugend wollte ich Regie führen. Von allen Filmemachern, mit denen ich gearbeitet habe, habe ich viel gelernt. Ich habe am Set auch immer die Kameraleute ausgefragt, warum sie was wie machen. Und die meisten waren mir gegenüber sehr offen und haben mich in den Prozess einbezogen, mich auch bei der Postproduktion zuschauen lassen. Ich warte darauf, das richtige Projekt zu finden und mich ganz bereit für diese Aufgabe zu fühlen. Und ich bin auf einem guten Weg dahin.





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