Kritik zu Trotz alledem

© W-film

2025
Original-Titel: 
Tevî her tiştî
Filmstart in Deutschland: 
12.06.2025
V: 
L: 
90 Min
FSK: 
Ohne Angabe

Robert Kriegs Dokumentation über ein kurdisches Frauendorf zeigt mit ruhigem Blick gefilmte Momentaufnahmen weiblicher Solidarität und weiblichen Aufbruchs in einer von Konflikten gebeutelten Weltregion

Bewertung: 4
Leserbewertung
0
Noch keine Bewertungen vorhanden

»Jin, Jiyan, Azadî« (Frau, Leben, Freiheit) hieß der Slogan der iranischen Frauenproteste 2023 in kurdischer Sprache. Die ermordete Jina Mahsa Amini war Kurdin. »Jin War« steht in großen grün-gelb-roten Lettern über dem großen Eingangstor zu einem besonderen Ort in dem derzeit faktisch autonomen kurdischen Gebiet Rojava. Das heißt »Land der Frauen« und sieht – zumindest in diesem Film – auch so aus: eine landwirtschaftliche Gemeinde, wo Frauen nicht nur wie sonst niedere Arbeiten beim Pflücken von Baumwolle, Granatäpfeln oder Tomaten verrichten und vielleicht Brot backen dürfen. Das tun sie in »Jin War« zwar auch. Doch hier sitzt auch oben auf dem Traktor eine Frau. Und die Planung für Bewässerung, Saatgut und Erntezeitpunkt wird im Kollektiv beraten. In den Untertiteln »Mütter« genannte Frauen (vermutlich eher die Großmütter) hüten die Kinder, während in Einzelgesprächen untereinander und vor der Kamera einige Bewohnerinnen von den persönlichen Geschichten berichten, die sie in das Dorf brachten und die oft mit dem Ehemann oder seiner Familie zu tun haben. Glücklich, so sagen sie, sind sie nun hier alle.

Das zum Dorf erweiterte Frauenhaus ist eines von mehreren vorgestellten Frauenprojekten dieses durch kurze Intermezzi in Kapitel geteilten Films. Etwa in Marhuq, wo in einer kleinstädtischen Betonöde hinter Mauern mit eisernem Tor eine Frau in prächtig-bunten Gewändern durch einen überquellenden Paradiesgarten zu einem selbst angelegten Museum traditioneller Handwerkskunst führt und berichtet, wie Nichten und Neffen von ihr gestaltete Erzählungen auf TikTok verbreiten. Für einen mit Hilfe einer Spendenaktion errichteten großen Brunnen wurde sie von religiösen Kräften angefeindet. Eine junge Frau versucht über Radiotalks, gut ausgebildete junge Menschen von der Emigration abzuhalten. Und in der Großstadt Qamishli betreibt Jwan mit anderen Frauen ein multiethnisches Liefer-Start-up für die berufstätige Frau mit Fertiggerichten nach traditionellem Rezept, wie sie in einer kurzen Präsentation erläutert. 

Der Film ist in seiner dokumentarischen Haltung deutlich engagiert, erklärt in seinem beobachtenden Modus aber nichts, was nicht im Off zu sehen und zu hören wäre. Regisseur Robert Krieg ist seit etwa vierzig Jahren als Autor, Lehrer und Dokumentarfilmer in der Welt unterwegs, um politische Entwicklungen und soziale Projekte zu begleiten. Auch in Rojava war er schon mehrmals als Unterstützer der dortigen Kämpfe für Demokratie und größtmögliche Autonomie. Wie aus den Aussagen und Berichten der Pro­tagonistinnen des Films hervorgeht, wurde dieser in der Zeit gedreht, als nach Vertreibung der islamistischen IS-Kräfte befreites Aufatmen und Hoffen einsetzten. Nach den aktuellen Umbrüchen in Syrien und der Weltpolitik ist die Region erneut stark in Bewegung – leider nicht zugunsten der Kurdinnen und Kurden. So dürften die im Film gezeigten Momente des Aufbruchs schon wieder neuen Ängsten gewichen sein. Dennoch bleibt »Trotz alledem« ein positiv gestimmter Blick in eine mögliche Welt – mit vielen offenen Fragen. Doch Neugier zu schüren ist ja nicht das Schlechteste für einen Film.

Meinung zum Thema

Ihre Meinung ist gefragt, Schreiben Sie uns

Mit dieser Frage versuchen wir sicherzustellen, dass kein Computer dieses Formular abschickt