Kritik zu Wenn das Licht zerbricht
Der vierte Film des isländischen Regisseurs Rúnar Rúnarsson eröffnete im letzten Jahr die Cannes-Reihe »Un certain regard«
Sonnenuntergänge stehen gemeinhin unter Kitschverdacht. Aber so idyllisch ist die Situation zu Beginn des Films nicht, auch wenn die Kamera das Liebespaar Una (Elín Hall) und Diddi (Baldur Einarsson) als Silhouette vor den warmen Orangetönen des Himmels zeigt. Una ist die Heimlichtuerei leid, denn Diddi ist noch offiziell mit einer anderen, Klara, liiert. Aber am nächsten Tag will er zu ihr fahren und es ihr sagen. »Wenn das Licht zerbricht« endet auch mit einem Sonnenuntergang, nach 24 Stunden, in denen sich ein intensives, eindringliches und auch grausames Drama abspielt.
Vor allem im Innern von Una. Denn Diddi stirbt, als Una noch unbeschwert an die Kunsthochschule geht. Er kommt im Auto durch eine Explosion in einem Tunnel ums Leben. Einen langen Tag folgt Rúnarsson in seinem angenehm kurzen Film (82 Minuten) Una und ihrer Clique durch Rejkyavik, etwa in die Kneipe, wo Diddi oft war und Una hinter dem Tresen steht. Nur einer aus der Clique weiß vom Verhältnis zwischen Una und Diddi. Und als dann noch Klara dazustößt, spürt man, wie unerträglich es für Una wird. Soll sie was sagen? Hat sie nicht auch ein Recht auf Trauer?
Es gibt nur wenige Ausbrüche in diesem Film, in dem Una immer etwas abseits steht. Es ist das Gesicht der großartigen Schauspielerin Elín Hall, die diesen Film trägt, mit ihren strengen kurz geschnittenen Haaren und den maskulinen Klamotten. Rúnarsson setzt sie eher distanziert in Szene, aber man spürt, wie es in ihr brodelt, wie sie mit sich und ihrer Trauer kämpfen muss. Der Regisseur, der für »Wenn das Licht zerbricht« fünf isländische Filmpreise einheimste, versteht sich darauf, emotionales Leid zu suggerieren, ohne dass es wirklich gezeigt wird. Schon sein zweiter Film, »Sparrows«, der vor zehn Jahren in San Sebastian gewann, war voll von diesem subkutanen emotionalen Schmerz, den wir mehr spüren als sehen.
Für Una wird die Situation noch unerträglicher, als Klara (Katla Njálsdóttir) auftaucht, und der Film konzentriert sich auf den Umgang der beiden, die erst fremdeln, aber dann immer mehr zusammenrücken. Einmal zeigt Una Klara das Gefühl des Fliegens durch die Fassade der größten Kirche von Reykjavik, der Hallgrímskirkja, deren Kirchturm förmlich in den Himmel wächst. Einer der vielen magischen Momente des Films.
»Wenn das Licht zerbricht« ist voll von Bildern und Momenten, die nachhallen und lange in Erinnerung bleiben. Die sparsam und effektiv eingesetzte Filmmusik, das Requiem »Odi et amo« des 2018 verstorbenen Komponisten Jóhann Jóhannsson, verlässt das Ohr nicht mehr. Einmal lässt Rúnarsson die Spiegelungen von Una und Klara zu einem Gesicht verschmelzen, sicherlich eine Anspielung an Ingmar Bergmans »Persona«. Und Diddis Todesfahrt sehen wir durch die oben lange vorbeiziehenden Lichter des Tunnels – bis die Feuerwalze in den Tunnel rollt. Diese Einstellung korrespondiert mit der Kamerafahrt des Schlusses über die vom Abendlicht erhellten Wellenkronen auf die Sonne zu. Nach dem Tod, dem Schmerz und der Trauer steht der Abschied – und vielleicht wartet eine neue Hoffnung.
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