Kritik zu Knives Out

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»Star Wars« war gestern: Rian Johnson inszeniert einen starbesetzten »Whodunit« in der Agatha-Christie-Tradition. Mit dabei: Daniel Craig, Jamie Lee Curtis und Don Johnson

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Wenn man sich die Eckdaten von Rian Johnsons neuem Film »Knives Out« anschaut, glaubt man zunächst an eine Parodie: Der Regisseur von »Star Wars: Die letzten Jedi« inszeniert einen Whodunit, mit einem verwinkelten viktorianischen Anwesen als Spielort und Daniel Craig als einer Art ­Hercule Poirot? Das kann nur ein Witz sein. Ist es aber nicht, denn Johnson erzählt seine Geschichte zwar mit galligem Humor, nimmt sie aber durchaus ernst – zu ernst manchmal.

»Knives Out« ist eine Hommage an Agatha Christie, mit allem, was dazu gehört. Der Film spielt nahezu ausschließlich auf dem ländlichen Anwesen des erfolgreichen Krimiautors Harlan Thrombey, der mit seinen erwachsenen Kindern und deren Anhang seinen 85. Geburtstag feiert. Am nächsten Morgen wird der Patriarch tot aufgefunden. Alles deutet auf Suizid hin, aber der von einem mysteriösen Auftraggeber hinzugezogene Privatdetektiv Benoit Blanc wittert Mord. In klassischer Manier kommt fast jeder der Geburtstagsgäste als Täter in Betracht. Zum Beispiel der verbitterte Sohn Walt (Michael Shannon), die gierige Tochter Linda (Jamie Lee Curtis) und ihr treuloser Gatte Richard (Don Johnson), der nichtsnutzige Enkel Ransom (Chris Evans) und die betrügerische Schwiegertochter Joni (Toni Collette). Sie alle hatten ein Motiv, und es ist ein Vergnügen, diesem Reigen aus Upper-Class-Snobs bei ihren familiären Ränkespielen zuzusehen. Hier kommt »Knives Out« den großen Vorbildern am nächsten. Sämtliche Darsteller verkörpern ihre Rolle mit viel Gusto, stets auf dem schmalen Grat zwischen feiner Überzeichnung und Karikatur.

Dann gibt es noch die herzensgute Marta (Ana de Armas), Harlans lateinamerikanische Pflegerin, die mehr über die Todesumstände zu wissen scheint, als sie zugibt. Blanc rekrutiert sie quasi als Assistentin seiner Ermittlungen. Was uns zur Besetzung von Daniel Craig bringt: Es mag nach einer gewitzten Idee klingen, den Darsteller von James Bond als Detektiv in einem Provinzkrimi zu besetzen. Aber wurde Craig als 007 nicht für seinen machohaften Haudrauf-Charme gefeiert? Andersherum gesagt: Ein intellektueller Ermittler mit genialer Kombinationsgabe und süffisantem Südstaaten­akzent sieht anders aus. Craig stört zum Glück nicht besonders, denn seinen Unterhaltungswert zieht der Film aus den oben genannten Figuren und natürlich aus den immer neuen Wendungen – bis zu einem gewissen Punkt. Die Kunst von Schriftstellern wie Agatha Christie besteht ja darin, selbst dem verzwicktesten Mordplan die Aura genialischer Logik zu geben, nur um am Ende die Aufklärung verblüffend simpel erscheinen zu lassen. Das gelingt Johnson leider nicht. Der eigentliche Plan ist reichlich plump und wird erst durch allerlei Zufälle zu einem schier unlösbaren Rätsel. Zum wortreichen Finale wirkt dann alles so sehr von hinten durch die Brust ins Auge gezwirbelt, dass es schon wieder wie eine Parodie anmutet.

Wegen des klassenkämpferischen Settings haben manche amerikanische Kritiker »Knives Out« in eine Reihe mit Filmen wie ­»Parasite« gestellt. Das ist eine sehr wohlwollende Betrachtungsweise, die vor allem etwas über Kritikersehnsüchte nach halbwegs anspruchsvollem Mainstreamkino aussagt. Zu den pointierteren Ideen gehört noch die Ignoranz der Thrombeys gegenüber Martas lateinamerikanischem Herkunftsland – war es nun Ecuador, Paraguay oder Uruguay? Dagegen wirken die Anspielungen auf die Alt-Right-Bewegung und auf sinnentleerte Esoterik, auf Influencer-Kult und illegale Immigration arg bemüht, als hätte Johnson seiner leichtgewichtigen Story nicht getraut. Das führt zu einem unentschlossenen Tonfall zwischen altmodischem Murder-­Mystery, halbherziger Sozialsatire und entlarvender Farce über verlogene Familienbande. Natürlich kann ein guter Krimi das alles zusammen sein. Aber dazu braucht es eben eine Agatha Christie.

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