Kritik zu Paula

© Pandora Film Verleih

Christian Schwochow verfilmt das Leben der Paula Modersohn-Becker, in dem sich universelle und moderne Themen spiegeln wie weibliche Selbstbehauptung im Beruf und die Unvereinbarkeit von Ehe und Selbstverwirklichung

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»Frauen können keine Malerinnen werden«, sagt der Vater, und auch der Lehrer in der Künstlerkolonie Worpswede hat nur Verachtung für Frauen, die sich mit dem Pinsel angeblich nur die Langeweile vertreiben: Die Geburt sei der einzige Akt der Schöpfung, zu dem eine Frau fähig sei. Doch im Vergleich zu den Männern, die in der Kunst immer noch vor allem die wahrhaftige Abbildung der Wirklichkeit anstreben, wirkt Paulas Eigenwilligkeit frisch und modern. Einen Dreck schert sie sich darum, dass ihr Apfel wie ein Kohlkopf aussieht. Indem sie kompromisslos einfängt, was sie sieht und fühlt, sprengt sie die Konventionen ihrer Zeit. Und wenn im Umfeld von Worpswede auch der Dichter Rainer Maria Rilke auftaucht, dann eröffnen sich damit Kreuzungslinien zum Leben einer anderen, ungewöhnlich starken Frau, die ihrer Zeit weit voraus war, Lou Andreas-Salomé, der Kordula Kablitz-Post gerade einen Film gewidmet hat. Am Rande taucht auch noch die Bildhauerin Camille Claudel auf, die auf ihre Weise um Anerkennung ringen musste.

Wenn sich Paula Becker ganz am Anfang des Films einen Bilderrahmen vor Gesicht und Körper hält, deutet sich darin das feine Spiel mit den Übergängen und Wechselwirkungen zwischen Kunst und Leben an, die sie immer wieder beschäftigen. Carla Juri spielt diese Paula mit einer Mischung aus luftig kindlicher Unschuld und trotziger Willensstärke. Ihre Eigenwilligkeit manifestiert sich nicht nur in ihrem künstlerischen Ausdruck an der Schwelle vom Impressionismus zum Expressionismus, sondern auch darin, dass sie an ihrem 30. Geburtstag nach fünf Jahren aus der unerfüllten Ehe mit dem Maler Otto Modersohn (Albrecht Abraham Schuch) nach Paris flüchtet.

Mit Filmen wie »Novemberkind« und »Die Unsichtbare« hat sich Christian Schwochow als Regisseur starker, widerspenstiger Frauen etabliert, zu denen sich nun auch die Malerin Paula Modersohn-Becker einreiht. Dabei spiegeln sich im historischen Maler-Biopic ganz moderne Themen wie die Vereinbarkeit von menschlichen Beziehungen und beruflicher Selbstverwirklichung, die auch den Regisseur als Vater ebenso wie als Künstler umtreiben. Aber es geht auch um die Widerstände, gegen die eine Frau ankämpfen muss, egal ob sie heute oder um 1900 in Bremen ihrer künstlerischen Berufung folgen will. Wenn die Freunde Modersohn bedrängen, seine Frau wahlweise an die Kandare zu nehmen oder ins Irrenhaus einzuweisen, dann sind das die erschreckend drastischen Maßnahmen, mit denen Männer früher ihre Vorherrschaft verteidigt haben. Im Kontrast dazu arbeiten die Autoren Stefan Kolditz und Stephan Suschke, die schon zu DDR-Zeiten den ersten Anlauf zu diesem Drehbuch unternommen haben, und der Regisseur Christian Schwochow die modernen Aspekte dieser Beziehung heraus. Immer stärker befreit sich auch Otto Modersohn aus den Konventionen seiner Zeit, weigert sich, den Forderungen seiner Freunde nachzugeben, geht auf seine Frau zu, entwickelt sogar die Größe, ihre künstlerische Kraft anzuerkennen und behutsam auf sie einzugehen.

Meinung zum Thema

Kommentare

Die Absicht und die Atmosphäre stimmen. Christian Schwochow hat mit diesem Biopic gleich mehrfach gepunktet: erstens hat er die fast in Vergessenheit geratene Malerin Modersohn - Becker (1876 – 1907) ins Rampenlicht geholt, zweitens hat er das Porträt einer emanzipierten Frau um 1900 gemacht, die sich in der ausschließlich von Männern dominierten Kunstwelt nur schwerlich durchsetzen konnte und drittens hat er eine Romanze in wunderbare Farben gekleidet, die nie zur Schmonzette abzugleiten drohte, trotz Trennung, Emanzipation und Versöhnung mit Geburt.
Diese Romanze verflüchtigt sich zwar in der Folgezeit und heftige Emotionen brechen in den Auseinandersetzungen hervor, bei denen Welten aufeinandertreffen. Die Männer glaubten (manche tun es heute noch), Frauen können gar nicht kreativ sein, außer durch die Geburt und gehörten ohnehin in die Küche und an den Herd. Symptomatisch duellieren sich die stolzen Helden, wenn man sie nicht dran hindert. Und das Drehbuch setzt auch gelegentlich gekonnt auf Symbolik, etwa wenn beim entscheidenden Gespräch zwischen Paula und Ehemann Otto (A.A. Schuch) in Paris Seifenblasen durchs Bild fliegen, als Paula ihn bittet, sie frei zu geben.
Die Hauptdarstellerin Carla Juri verkörpert diese Frau exzellent. Sie zeigt sie in ihrer ganzen Zerbrechlichkeit, die mit einem starken Willen zu kämpfen hat. P.M.B. hatte durchaus eine eigene Sehweise und brachte sie eigenwillig auf die Leinwand. Um ihr Ende nach der Geburt der Tochter etwas abzufedern, lässt Schwochow Paula noch einmal zwischen ihren Bildern hervortreten. So sehen wir recht viel von ihrem abwechslungsreichen, aber typisch femininen Werk.

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