Nachruf: Carlos Saura

4.1.1932 – 10.2.2023
Carlos Saura

Carlos Saura

Vergangenheit und Erinnerung

Wie kein anderer Regisseur seines Landes setzte sich der gebürtige Aragonese mit der politischen und kulturellen Identität und der Vergangenheit Spaniens auseinander und spiegelte in seinen Filmen die großen nationalen Themen und leidvollen Erfahrungen insbesondere des 20. Jahrhunderts wider. Als herausragender Vertreter des Nuevo Cine Español, des Neuen Spanischen Kinos, perfektionierte Carlos Saura als junger Regisseur in den sechziger und siebziger Jahren unter den wachsamen Augen der Franco-Diktatur die politische Parabel und erlangte, in Zusammenarbeit mit dem Drehbuchautor Rafael Azcona, dem Produzenten Elías Querejeta und nicht zuletzt der Schauspielerin und zeitweiligen Lebensgefährtin Geraldine Chaplin, mit Filmen wie »Die Jagd« (1970), »Cousine Angélica« (1974), »Anna und die Wölfe« (1973) internationale Aufmerksamkeit und hohe Festivalauszeichnungen in Cannes und Berlin. Der Cannes-Gewinner »Züchte Raben ...« (1976) stellte eine so große Provokation für die Franquisten dar, dass sie mit Attentaten auf Kinos reagierten. 

Nach dem Ende der Franco-Diktatur wandte Saura sich in »Elisa, mein Leben« (1977) und »Zärtliche Stunden« (1981) familiären Themen im Spannungsfeld von Vergangenheit und Erinnerung zu. Mit seiner Flamenco-Trilogie in Zusammenarbeit mit dem Choreografen und Tänzer Antonio Gades aus »Bluthochzeit«, »Liebes­zauber« und seinem größten Publikumserfolg »Carmen« erfüllte sich Saura seinen Traum von einem »totalen ­Kino« aus ­Theater, Oper, Musik und Tanz. 

Einer von Sauras thematischen Fixpunkten war bis zuletzt der spanische Bürgerkrieg, den er als Kind erstaunlich bewusst miterlebte und auf den sich viele seiner Filme direkt oder indirekt beziehen. »Die Vergangenheit ist stärker, als wir annehmen«, lässt Saura seinen Protagonisten in »Elisa, mein Leben« sagen. Dies galt auch bis zuletzt für ihn selbst: Noch 2021 erzählte er in seinem Kurzfilm »Rosa Rosae« mit eigenen Zeichnungen und Bildern von den Schrecken des Bürgerkrieges aus der Sicht ­eines Kindes.

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