Interview: Robert Schwentke über »Snake Eyes: G.I. Joe Origins«

Robert Schwentke am Set von »Snake Eyes: G.I. Joe Origins« (2021). © Paramount Pictures

Robert Schwentke am Set von »Snake Eyes: G.I. Joe Origins« (2021). © Paramount Pictures

Studiogroßproduktionen, die auf Spielzeugfiguren basieren, haben eher keinen guten Ruf, das gilt auch für die beiden »G.I. Joe«-Filme, die 2009 bzw. 2013 in die Kinos kamen: Actionfilme mit Allstarbesetzung, die auf den Figuren von Hasbro basieren. In beiden musste eine militärische Eliteeinheit, bestehend aus Spezialisten mit den unterschiedlichsten Kampfkünsten, einmal mehr die Welt vor einem bösen Genie und seiner Organisation retten. Wie schon das Reboot des (ebenfalls auf Hasbro-Figuren basierenden) »Transformers«-Franchises mit »Bumblebee« ist »Snake Eyes: G.I. Joe Origins« eine Nummer kleiner ausgefallen, setzt statt auf überdimensionierte Actionszenen und überlebensgroße, comichafte Figuren eher auf gradliniges Actionkino mit komplexen Charakteren.

Herr Schwentke, ich war etwas überrascht, Sie als Regisseur einer großen Studioproduktion, eines potenziellen Blockbusters, zu sehen, denn Ihr 2013 gedrehter Studiofilm »R.I.P.D.« war ja ein ziemlicher Kassenflop...

Das stimmt, aber »R.I.P.D.« war auch nicht mein Film, den habe ich übrigens auch nie gesehen, und danach habe ich ja noch »Insurgent« und »Allegiant«, den zweiten und dritten Film der »Divergent«-Reihe inszeniert. Die Idee war immer, nach dem »Hauptmann« wieder einen Hollywoodfilm zu machen.

Das Angebot für die Regie kam durch Ihren Agenten in den USA?

Ja.

War es hilfreich, dass Sie mit dem Produzenten Lorenzo di Bonaventura bereits 2011 den Film »R.E.D« gedreht hatten?

Vermutlich.

»Snake Eyes« unterscheidet sich von seinen Vorgängern...

Die waren tonal eher Comic-Verfilmungen.

Während dieser hier für mich sehr down to earth war – ich musste gelegentlich an Sydney Pollacks 1974er »Yakuza« denken.

Ja, das war sowohl von Produzentenseite als auch von Studioseite so gewünscht, hier etwas Neues zu machen – sonst hätte mich das auch gar nicht interessiert, weil ich mich schwertue, die Kästchen einfach so abzuhaken. Man kommt in ein Franchise rein und muss dann weiterführen, was schon da ist, das ist wenig interessant für mich. Das war auch bei »Insurgent« so, dass damals von Seiten der Studioleitung gewünscht war, dass man in eine neue Richtung geht.

Das Autorenehepaar Joe Shrapnell und Anna Waterhouse kenne ich bisher nur von »Against all Enemies«, dem Film über Jean Seberg, und von Ben Wheatleys Netflix-Miniserie »Rebecca«. Hat man die engagiert, weil man einen Film wollte, in dem es mehr um die Figuren als um ein Actionspektakel geht?

Auf jeden Fall. Ein Freund von mir, Mark Bombeck, kam dann auch noch dazu, der hat keinen Credit bekommen, aber auch mitgeschrieben.

Wer war Ihr Ansprechpartner?

Ich habe mit allen gesprochen, auch mit Evan Spiliotopoulos, von dem die Story stammte.

Der Film ist recht verhalten erzählt, auch im Vergleich mit der gerade erst in den Kinos gelaufenen Originstory »Black Widow« von Marvel. Eine rasante Verfolgungsjagd ist ziemlich spät positioniert. Gab es da nie Bedenken?

Der Film war eigentlich konzipiert für einen Oktober-Start, nicht für den Sommer, vielleicht liegt es daran. Die Actionsequenz zu Beginn war ursprünglich länger, aber dem Testpublikum dauerte sie zu lange, so haben wir sie etwas zurückgenommen. Wir wollten uns auf die Figuren konzentrieren, das war eigentlich die Hauptsache. Wir haben uns ja auch nicht an die backstories von Snake Eyes und Storm Shadow aus den ersten beiden Filme gehalten. Das war es auch, was mich fasziniert hat an dem Film: jemand, der aus persönlichen Gründen unlautere Dinge tut.

Gab es für das japanische Setting eine direkte Vorlage?

Das Drehbuch war tatsächlich in Japan angesiedelt. Ich bin ein großer Fan des japanischen Kinos schon seit vielen Dekaden und habe definitive Vorlieben. So war dies für mich eine Möglichkeit, eine Hommage an das japanische Kino zu machen, vielleicht auch an das Actionkino Hongkongs, mit dem ich ebenfalls aufgewachsen bin. Das läuft ja immer so ab, dass man ein Drehbuch zugeschickt bekommt und dann trifft man sich mit dem Produzenten und den Studioleuten und erläutert seine eigenen Vorstellungen – wie man es umsetzen würde und was einen mehr und was einen weniger interessiert. Mein Pitch war es, aus diesem Film einen Yakuza-Film zu machen. Es gibt ein Subgenre, das heißt Ninkyo-eiga, da gibt es einen Regisseur, den ich sehr liebe, Yamashta Kosaku. In seinen Filmen geht es immer um das Dilemma, hin- und hergerissen zu sein zwischen der Pflicht dem Clan gegenüber und den persönlichen Bedürfnissen. Das hat mich sehr interessiert, etwas in dieser Richtung zu machen, ich hatte auch das Gefühl, das ist vielleicht die einzige Möglichkeit, die ich je haben werde in meinem Leben als weißer Westler, etwas in Japan machen zu dürfen. Wir haben dann auch mehr nach Japan gelegt und haben tatsächlich die Hälfte des Films dort gedreht.

Für mich hatte der Film auch etwas sehr Physisches. Haben Sie überhaupt viel mit Bluescreen, mit digitaler Technik gearbeitet?

So wenig wie möglich. Es gibt im japanischen Kino – im Gegensatz zum taiwanesischen und zum Hongkong-Kino – sehr wenig wirework. Daran haben wir uns orientiert. Wir haben das nur gemacht, wenn es unabdingbar war, wenn es um Sicherheit ging, damit sich niemand verletzt hat, aber wir haben schon versucht, das alles so physisch wie möglich zu machen. Die Messlatte war immer: wenn ein Mensch diesen Stunt machen würde, würde er den überleben?

Sie haben also viel mit Stuntmen gearbeitet?

Absolut.

Den Hauptdarsteller Henry Golding habe ich zuletzt gesehen in einer britischen Komödie, dem Weihnachtsmärchen »Last Christmas«, insofern war ich schon überrascht, ihn hier in dieser Rolle zu sehen. War er schon besetzt, als Sie zu dem Projekt hinzustießen?

Nein, bei der Besetzung war ich schon dabei. Wir wollten auch vom Casting her eine neue Richtung einschlagen. Snake Eyes ist ja ein weißer Veteran und wir hatten die Sorge, dass es wieder ein Film wird über einen Weißen, der in den Osten geht und alles rettet. Wir hatten das Gefühl, dass Henry jemand ist, der für die Rolle gut passt, weil er sehr charmant und liebenswürdig ist, die Figur aber ja Dinge tut, die nicht ganz astrein sind. Deshalb sollte es jemand sein, der extrem nahbar ist, als Mensch und als Schauspieler.

Das Ende mit der Figur der Bösen, die davonkommt, deutet darauf hin, dass man gerne eine Fortsetzung machen würde. Hängt das nur vom Einspielergebnis dieses Films ab?

Nicht nur, sondern auch von dem Masterplan, den ich nicht kenne, wie man jetzt weiter vorgeht mit dem Hasbro Universe. Ich hatte sehr großen Spaß, diesen Film zu machen, insofern wäre ich einer Fortsetzung nicht abgeneigt, das hängt aber auch immer von dem Drehbuch ab – wie charakterzentriert ist es?

Sind das denn Fragen, die in Gegenwart des Regisseurs schon vor der Premiere angesprochen werden?

Man redet schon darüber, in welche Richtung es weitergehen könnte, auch, wofür das Publikum sich interessiert. Das Testpublikum hat sich sehr interessiert für diese beiden Figuren, aber das hängt von sehr vielen Faktoren ab.

Hat es bei diesem Film eigentlich eine Testvorführung in Japan gegeben?

Nein, das war nicht der Fall. Aber wir hatten viel japanischen Beistand, nicht nur durch die japanischen Schauspieler; es gab auch jemanden, der uns die Etikette erklärt hat und darauf achtete, dass die Gesten stimmen: wie tief verbeugt man sich? Wo gehen die Hände hin?

Ich war sehr irritiert, als ich vor zwei Jahren in einem englischen Videoshop eine DVD von »Der Hauptmann« sah, auf der dieser Schwarzweißfilm in Farbe war.

Oh je! Das höre ich zum ersten Mal. Es gibt grundsätzlich die Vertragsregelung, dass man bei Schwarzweißfilmen immer auch eine Farbfassung mitliefern muss. Das ist Standard, diese Farbfassung sollte aber auf gar keinen Fall benutzt werden. Wir hatten mit unserem Weltvertrieb, von dem wir uns mittlerweile getrennt haben, mitbekommen, dass er tatsächlich in zwei Ländern im Kino in Farbe herausgekommen ist, ohne unsere Zustimmung. Ich bin darüber zutiefst betrübt. Die Regelung hat mit Fernsehverkäufen zu tun, es gibt leider Fernsehanstalten, zum Beispiel in Südamerika, die nur farbig einkaufen, das war der Hintergrund.

»Der Hauptmann« lief im Ausland?

Ja, ausgesprochen gut, nicht nur auf Festivals; in Japan ist er extrem gut angekommen, auch in Russland.

Das heißt, er hat auch etwas für Ihr internationales Standing getan?

Ja, sicher. Ich versuche den Spagat: meine eigenen Filme sind die, wo ich selber das Drehbuch verfasse, da übernehme ich die Verantwortung. Das Problem bei den Studiofilmen ist ja, dass man für Dinge verantwortlich gemacht wird, für die man keine Verantwortung hat. International kennt man meinen Namen vorrangig durch die amerikanischen Filme, da müssen sich Leute erst daran gewöhnen, dass ich auch andere Sachen mache. Als nächstes drehe ich im September wieder einen Film für die Filmgalerie, die auch »Der Hauptmann« produziert hat. Das ist thematisch und tonal eine Weiterführung vom »Hauptmann«, es geht um Macht, Abhängigkeiten und Opportunismus. Es geht um Seneca und Nero. Der Film hat ein paar Rückblenden, spielt aber vornehmlich in einer Nacht, nachdem Seneca von Nero angewiesen wurde, sich selbst umzubringen. Es ist eigentlich die Tragödie eines lächerlichen Mannes, John Malkovich spielt den Seneca, es sind aber auch viele deutsche Schauspieler, auch vom »Hauptmann« dabei. Er wird in Englisch gedreht, ist aber eine deutsche Produktion.

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