Filmfestival Rotterdam

»Parasite« (2019). © Koch Films

»Parasite« (2019). © Koch Films

Alle reden über starke Frauenfilme – Rotterdam zeigt sie einfach

Der Publikumsliebling, der auch den begehrten Audience Award gewann, war der Sieger von Cannes, aber in einer neuen Version. Zu den Höhepunkten in diesem Jahr gehörte die Weltpremiere der Schwarzweiß-Fassung von »Parasite«, dem Überraschungsfilm aus Korea. Der hat ja nicht nur die Goldene Palme gewonnen, sondern auch vier Oscars; in den USA läuft er in der Originalfassung mit Untertiteln derzeit in über 1000 Kinos und hat bisher über 33 Millionen Dollar eingespielt, auch in Deutschland haben ihn bereits über 450.000 Zuschauer gesehen. In Rotterdam zeigte Regisseur Bong Joon Ho nun seinen Erfolgsfilm völlig neu in einer reinen Schwarzweiß-Fassung, die gewisse Schwächen wie das zu blutige Finale nuanciert. Gerade das Metaphorische der Geschichte, das Spiel mit der Oberwelt und Unterwelt, funktioniert im kontrastreichen Schwarzweiß besonders effektiv. In Deutschland kommt diese Fassung nun erfreulicherweise bereits am 13. Februar ins Kino.

Zu den Besonderheiten des diesjährigen Programms in Rotterdam gehörte, dass man Altmeister/Innen in der Sektion »The Tyger Burns« einen besonderen Raum gab. Man zeigte aber aktuelle Werke von ihnen. Neben so bekannten Namen wie Costa Gavras oder Werner Herzog konnte man den leider nicht geglückten »Black Mercedes« von Janusz Majewski sehen, der zwischen 1941 und 1942 in Warschau spielt. Ein polnischer Ermittler der von den Deutschen so genannten »Polnischen Polizei im Generalgouvernement« soll Mordfälle an unterschiedlichen Frauen untersuchen. Das Verwirrspiel um eine versteckte Jüdin, ihren lebensmüden SS-Lover, der eigentlich homosexuell ist, und den Ehemann der Frau, einen polnischen Professor mit dem deutschen Namen Holzer, läuft leider alles andere als rund und ist thematisch überfrachtet.

Eine Augenweide war dagegen »Franzus« (Der Franzose) des 79-jährigen russischen Veteranen Andrej Smirnow, der in der UdSSR zwar einige wenige Filme drehte, die aber nie durch die Zensur gelangten. So machte er vor allem als Schauspieler auf sich aufmerksam und spielte u.a den älteren Liebhaber in Andrej Swjaginzews Meisterwerk »Elena«. In »Franzus«, seinem neuen Schwarzweißwerk, kommt ein junger Franzose russischer Abstammung und Kommunist 1957 nach Moskau. Dort wird er zunächst als Ziehsohn eines französischen Kommunisten gefeiert, aber sehr viel kritischer beäugt, als er sich auf die Suche nach einem Verwandten macht, der in Stalins Gulags gesessen hat. Smirnow gelingt es meisterhaft – auch formal durch das Schwarzweiß – einen »sowjetischen« Film zu drehen, der zu Zeiten der real existierenden UdSSR nie gedreht worden wäre. Zu offen thematisiert der Film die Widersprüche des Stalinismus und zeigt vor allem, wie desillusionslos der Alltag im »Arbeiterparadies« oft war. Selten hat ein russischer Film gerade diese Zwiespältigkeit im Handeln jedes Einzelnen eingefangen. Offiziell gibt man die Parolen, Floskeln und Propaganda zum Besten, privat sieht der ganz normale Sowjetbürger sein Leben sehr viel kritischer.

Ob in der Sektion »The Tyger Burns« oder in anderen Programmteilen – es gab spannende Frauenporträts von Frauen und Männern zu sehen. In der französischen Weltpremiere »Les filles de joie« (Die Freudenmädchen) des bekannten belgischen Regisseurs Frederic Fonteyne geht es um drei Teilzeitprostituierte, die in Frankreich leben, aber in Belgien in einem Bordell arbeiten. Man sieht den Alltag dieser Frauen, die aus der bürgerlichen Mittelschicht oder der Arbeiterklasse stammen, ihre Nöte, ihre Hoffnungen und Träume. So haben zwei der drei weiblichen Hauptfiguren Familie und Kinder, die Dritte träumt mit einem Freier vom bürgerlichen Leben. Es ist kein weiterer Film über Prostitution an sich, sondern vor allem über weibliche Solidarität. Das betonte im anschließenden Filmgespräch auch die Drehbuchautorin. Im übrigen ist der Film exzellent besetzt mit u.a. Sara Forestier und Noemie Lvovsky.

Beeindrucken konnte auch der mit Eva Green und Lars Eidinger besetzte »Proxima« von Alice Winocour über eine junge französische Astronautin, die ins Weltall fliegen wird, aber ihrer etwa 10-jährige Tochter auf der Erde lassen muss. Ein leiser, berührender Film mit einer wunderbaren Eva Green, die endlich auch einmal wieder im französischen Kino spielt.

Rotterdam blieb auch ein Jahr vor dem 50. Jubiläumsjahr seinem Erfolgsrezept treu, eine Mischung aus No-Names im Wettbewerb um den Tiger Award zu präsentieren und gestandenen Regisseurinnen und Regisseuren oder Festivalerfolgen, die noch keinen Kinostart hatten, eine neue Plattform zu bieten. Die Verantwortlichen freuten sich über 13.000 Besucher mehr als im Vorjahr. Insgesamt kamen 340.000 Besucher. Den Hauptpreis gewann in diesem Jahr Zheng Lu Xinyuan mit »The Cloud in Her Room«.

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