Interview: Sophie Kluge über ihren Film »Golden Twenties«

Moderator Stefan Kuhlmann im Gespräch mit Sophie Kluge. © 2019 Twentieth Century Fox / Fotograf: Sebastian Gabsch

Moderator Stefan Kuhlmann im Gespräch mit Sophie Kluge. © 2019 Twentieth Century Fox / Fotograf: Sebastian Gabsch

Frau Kluge, bei den ersten Szenen im Theater könnte man denken, da habe jemand schlimme Erfahrungen in der Branche gemacht und möchte jetzt die Kinogänger davon abhalten, sich dorthinein zu begeben…

(lacht) Nein, so ist das nicht gemeint. Ich selber habe sehr unterschiedliche Erfahrungen am Theater gemacht und habe jetzt eben eine chaotischere Produktion gewählt, weil ich damit deutlicher eine gewisse Orientierungslosigkeit in einem Betrieb beschreiben wollte.

War Ihr Ausgangspunkt die Figur der Ava und ihr Suchen, ihre Orientierungslosigkeit?

Für die Geschichte auf jeden Fall – ich habe sehr figurenorientiert geschrieben. Ich habe mit der Figur der Ava angefangen, ich habe sie nach Hause kommen lassen und bin dann mit ihr auf die Reise gegangen. Dabei habe ich von ihr aus geschrieben und die verschiedenen Stadien der Reise, beim Schreiben mit ihr durchlebt.

Als Generationsporträt würden Sie den Film nicht sehen?

Ich bekomme immer wieder gesagt, dass sich viele darin wiedererkennen. Ich habe es nicht so gemeint, ich wollte eine individuelle Geschichte erzählen, aber dass sich viele – Frauen und Männer – mit dem Grundgefühl der Hauptfigur identifizieren ist ja nicht verkehrt.

Sie erzählen eher eine Abfolge von Momentaufnahmen als eine stringente Geschichte mit Anfang und Ende. War das etwas, was Sie von vornherein im Kopf hatten oder hat sich das erst beim Schreiben ergeben?  

Beides ein bisschen: ich wusste, dass ich ein Stimmungsbild zeichnen und nicht eine dramatische Geschichte erzählen wollte. Mir war eigentlich klar, dass es so episodisch sein wird – welche Episoden das sein würden, das hat sich beim Schreiben ergeben. Dabei habe ich gemerkt, dass es für mich stimmig war, dass hier also nicht noch einmal ein großer Twist hinein müsste oder eine dramatische Wendung.

Gehört dazu auch, dass es im Film eine Reihe von Ellipsen und auch offen bleibenden Fragen gibt – oder haben Sie diese Verkürzungen erst später vorgenommen?

Nein, das habe ich schon so geschrieben, weil es mir darum ging, dass man das mit Ava erlebt. Und wenn man das tut, hat man ja die Erklärungen nicht. Dieses Gefühl wollte ich transportieren, deswegen wäre jede Erklärung fehl am Platz gewesen.

Nach fünf Kurzfilmen als Regisseurin und Autorin waren Sie 2016 als Ko-Autorin an Karoline Herfurths »SMS für Dich« beteiligt. 

Ich hatte mit Karoline bereits einige Jahre zuvor einen zehnminütigen Kurzfilm gedreht, daher kannten und schätzten wir uns, so kam es zu dieser Zusammenarbeit.

Hat das Ihren Wunsch bestärkt, einen eigenen Film zu machen?

Das war eine spannende Erfahrung. Ich wusste aber bereits davor, dass ich das gerne machen wollte. 

Sie haben angefangen am Theater. Würden Sie sagen, das ist jetzt eine abgeschlossene Sache, als Ausdrucksmedium interessiert Sie der Film derzeit mehr?

Als Ausdrucksmedium ja, aber ich mag Theater total gerne, habe davor auch noch mal einen ganz anderen Respekt, hätte auch Interesse, da etwas zu machen, aber im Moment fühle ich mich im Filmemachen mehr zuhause. 

Konnten Sie von Ihrer langjährigen Theaterarbeit etwas in das Medium Film einbringen?

Man nimmt die Arbeit mit den Schauspielern mit, die trotzdem beim Film sehr anders ist. Man hat einen großen Einblick, wie sie arbeiten, wie sie mit Text umgehen. Das fand ich super interessant, das liebe ich am meisten.

Ist das auch ein wenig frustrierend, weil man am Theater so viel mehr Zeit für die Proben, für die Erarbeitung eines Stoffes hat?

Ja, das hat man beim Film überhaupt nicht mehr, das ist schade – es sei denn, man hat die Besetzung schon weit im Voraus, aber auch dann haben die meisten andere Verpflichtungen.

Haben Sie am Theater auch selber inszeniert?

Nein, ich habe nur assistiert.

Ist der Sprung von dort zur Regie am Theater schwieriger als beim Film?

Nein, ich glaube, dass er organischer ist. Ich habe oft das Gefühl, dass die Assistenten am Theater mit einer großen Selbstverständlichkeit Regisseure werden – beim Film ist es nicht so selbstverständlich, weil es auch nicht eine so intensive Arbeit mit dem Regisseur ist, sondern auch das gesamte Set betrifft.

Der Wechsel zum Film kam aber nicht daher, dass Sie sagten, am Theater lässt mich niemand inszenieren?

Nein; ich hatte ja zu der Zeit auch schon Kurzfilme gemacht. Und eigentlich ist das auch mehr mein Ding, ich war schon immer sehr filmaffin und wusste, irgendwann lande ich dort, wollte aber auch andere Dinge ausprobieren.

Das Filmhandwerk haben Sie Sich selber beigebracht?

Weitgehend. Ich habe auch einige Assistenzen gemacht, nach der Schule, in den Semesterferien.

Ihre Hauptdarstellerin Henriette Confurius kannte ich vor allem aus Dominik Grafs »Die geliebten Schwestern«. Wie sind Sie auf Sie gekommen?

Ich kannte sie tatsächlich auch aus diesem Film, aber da das ein historischer Film ist, hatte ich sie nicht so auf dem Schirm für meinen Film. Als ich einmal eine Radtour machte, bei mir in der Gegend in Kreuzberg, habe ich sie am Kanal auf einer Mauer sitzen sehen, da war sie eine ganz normale moderne junge Frau, so dass ich dachte, vielleicht sei sie die Richtige. Denn ich mochte diesen leicht altmodischen Touch und überhaupt, was sie ausstrahlt – und das in diesem modernen Kontext fand ich total toll, so habe ich mich noch einmal näher befasst mit ihrer Arbeit und ihr dann einen Brief mit dem Treatment geschickt.

Blixa Bargeld sieht man auch nicht jeden Tag im Film. Kanten Sie ihn vorher?

Nur soweit, als wir tatsächlich mal Nachbarn waren und uns vom Fenster her kannten. Aber wir hatten noch nicht direkt miteinander gesprochen.

Den Vorschlag zu singen und dieses Lied, Schuberts »Winterreise«, kam von Ihnen?

Der Vorschlag zu singen, kam von mir, das Lied von ihm.

Nicolas Wackerbarth hat einen Film gedreht, »Casting«, der in der Darstellung der Vorbereitung auf eine Filmproduktion Ähnliches zeigt wie Ihre Theaterszenen. Kam von daher die Idee, ihn in der Rolle des Theaterregisseurs zu besetzen?

Darauf wäre ich gar nicht gekommen, weil er da ja als Regisseur fungierte. Tatsächlich habe ich mit meiner Casterin Ulrike Müller ein Castingband von ihm als Schauspieler gesehen, daraufhin habe ich ihn gefragt.

Wie haben Sie mit den Schauspielern gearbeitet? Hatten Sie vor Drehbeginn Zeit für eine Lesung?

Wir haben nicht alle zusammen gelesen, ich habe oft mit einzelnen Gruppen kleine Lesungen gemacht, ansonsten haben wir am Drehtag selber morgens geprobt, bevor alle in die Maske gegangen sind und ich mit dem Kameramann die Szene eingerichtet habe. Insgesamt hatten wir 33 Drehtage.

Ihre Biografie ist im Presseheft sehr knapp gehalten, man erfährt auch nicht, dass Sie die Tochter von Alexander Kluge sind. Sind Sie mit seinen Filmen aufgewachsen? Am Theater hat er, soweit ich weiß, nicht gearbeitet…

Einige der wenigen Nischen, wo er seine Finger nicht im Spiel hatte (lacht). Natürlich hat er mich automatisch beeinflusst, dadurch, dass er mein Vater ist, wir haben auch ein gutes Verhältnis, es war aber nicht so, dass er die ganze Zeit über ein aktiver Lehrer oder Berater war. Was ich erzählen wollte, musste ich mir schon selber erarbeiten. Ich habe auch gemerkt, dass ich eine andere Sprache habe und komplett andere Dinge erzählen will als er. Da musste ich dann wirklich auf Null schalten und sagen, ich mache jetzt erst einmal andere Sachen. Dann war ich im Ausland, jetzt hatte ich das Gefühl, ich kann auch einen Film machen.

Hat er denn diesen Film vorab gesehen?

Nein, erst bei der Premiere. Er hatte vorher allerdings schon einiges Rohmaterial auf dem Computer gesehen. Er mochte ihn.

Der zweite Film gilt als der schwierigere…

Ich mache mir jetzt schon Gedanken, will mir auch noch einmal ein paar Sachen ansehen, die ich vor längerer Zeit geschrieben habe.

Würden Sie sagen, diesen Stil haben Sie für diesen Film entwickelt oder wird man den vielleicht auch in künftigen Filmen finden?

Der Filmstil passt schon zu dieser Erzählung, aber ich merke immer wieder, dass es mich interessiert, bestimmte Dinge auszuloten, deswegen wird es auch immer einen Sophie-Kluge-Touch haben (lacht).

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