Interview: Asif Kapadia über seinen Film »Diego Maradona«

Diego Maradona und Asif Kapadia © DCM

Diego Maradona und Asif Kapadia © DCM

Mr. Kapadia, dies ist nach »Senna« und »Amy« Ihr dritter Film über einen überlebensgroßen Menschen. Sehen Sie eher die Gemeinsamkeiten oder die Unterschiede zwischen ihnen?

Ich würde sagen, bei allen Unterschieden haben sie viel gemeinsam, wobei Maradona in gewisser Hinsicht eine Kombination der beiden anderen ist: ein Sportheld, der sein Heimatland stolz gemacht hat, zugleich aber ein verletzliches Wesen, der zeitweilig vollkommen verloren wirkt und nach Liebe, Anerkennung und Aufmerksamkeit sucht. Sein Leben ist länger als das von Amy oder Ayrton, dadurch kommt vieles hinzu, zumal die Kinder. Mir scheint es so, als hätte er oft auf einer Klippe gestanden, aber der Grund, warum er von dort zurückkehrte, waren die Kinder. 

Jeder Ihrer drei Dokumentarfilme hat einen Fokus, statt Ihre Protagonisten chronologisch durch ihr Leben zu begleiten. Bei Maradona hat sich der sicherlich auch durch das Filmmaterial ergeben, das Ihr Produzent erwerben konnte und das seine Zeit in Neapel zeigt. Finden Sie den Fokus im Allgemeinen erst im Schneideraum oder schon vorher?

Immer erst im Schnitt. Ich weiß, dass ich damit viele verrückt mache, weil ich kein Drehbuch habe. Ich will flexibel bleiben, ich spreche mit Menschen, höre zu, schaue mir das Material an und spreche erneut mit Menschen. Ich habe ein Team von Rechercheuren, die lesen und reisen. Mein Editor fängt dann nach einem Jahr an, eine erste Fassung zu erstellen. Die war hier 4-5 Stunden lang. Wenn wir die ansehen, stellen wir fest, mit wem wir noch einmal reden und was wir vertiefen sollten. Hier kristallisierte sich heraus, dass die Mitte der Erzählung ihr Zentrum sein sollte – es geschieht viel vor Neapel und viel nach Neapel, aber das war der Ort, wo er der beste Fußballer wurde, aber auch der Ort, wo all seine Probleme offensichtlich wurden. 

War es diesmal leichter, einen Kontakt herzustellen, weil Maradona sich positiv über ihren »Senna«-Film geäußert hatte?

Das war hilfreich, auch, dass »Amy« einen »Oscar« gewonnen hatte – aber die konkrete Arbeit hat jedes Mal ihre eigenen Probleme, so spreche ich weder Italienisch noch Spanisch, ich lebe und arbeite in London, Diego lebt in Dubai, die meisten Interviewpartner in Argentinien. 

Als Sie Ihren Film über Senna vorbereiteten, konnten Sie noch keinen Dokumentarfilm dieser Art vorweisen. Wie haben Sie es damals geschafft, das Vertrauen seines Umfeldes zu erringen?

Deshalb war es ein schwieriger Film. Auf unserer Seite waren es Working Title als Produktionsfirma und Universal als globaler Verleih, auf seiner Seite war es nicht nur seine Familie, sondern auch Bernie Ecclestone und die Formel 1. Der Produzent musste mit den erstgenannten verhandeln, der Autor mit den letztgenannten. Ich war damals beileibe nicht der erste Regisseur, der gefragt wurde. Ich hatte vorher nur Spielfilme gedreht, der bekannteste war »The Warrior«, in dem es um die spirituelle Reise des Protagonisten ging. Deshalb dachte man, ich könnte ein geeigneter Regisseur sein. Zum anderen bin ich auch ein großer Sportfan. Ich erklärte dann der Familie in Sao Paulo, was ich mir vorstellte, das sagte ihnen zu. Ursprünglich war das als ein konventionellerer Dokumentarfilm angelegt, zu gleichen Teilen aus vorhandenem Bildmaterial und aus neuen Interviews bestehend. Aber als ich das Material sichtete, sagte ich mir, ich brauche die Interviews nicht, es gibt eine originellere Art, die Geschichte zu erzählen. Ich will nicht zeigen, was andere über ihn zu sagen haben, ich will vielmehr Senna selber seine Geschichte erzählen lassen. Das Gute war, dass er so eloquent war – und das in vielen Sprachen. Er war so ein starker Charakter, dass niemand so gut erzählen konnte, was Senna denkt, wie er selber. Das war sehr schnell meine Auffassung, aber davon andere zu überzeugen, war nicht einfach – ein Dokumentarfilm kann nicht ohne Interviews auskommen, hieß es. Das wollte hinterher natürlich keiner gesagt haben.

Hätten Sie den Film über Maradona auch machen können ohne das ganze Material, das sein früherer Manager seinerzeit in Neapel hatte filmen lassen?

Ich weiß nicht, ob ich dann an dem Film interessiert gewesen wäre. Denn dann hätte ich jetzt jemanden interviewen müssen – und ich weiß nicht, ob das ein zuverlässiger Zeitzeuge gewesen wäre. Ich bin interessiert an Kino, eine Geschichte in Bildern zu erzählen, und nicht daran, was Menschen heute über die Vergangenheit zu erzählen haben. Diese großen vergangenen Momente, wenn Senna ein Rennen fährt, Amy Winehouse singt oder Maradona den Ball beherrscht, die möchte ich zeigen.

Sie haben einmal erwähnt, dass diese drei Filme für Sie eine Art Trilogie bilden. Heißt das, mit Ihrem nächsten Film werden Sie zum Spielfilm zurückkehren?

Ich würde gerne wieder im fiktionalen Bereich arbeiten, ob das ein Film oder eine Serie sein wird, weiß ich nicht.

Haben Sie Diego Maradona die Langfassung Ihres Films gezeigt und hat er Sie gebeten, bestimmte Sachen herauszuschneiden?

Nein, diese Fassung bekommen nur Freunde oder Mitarbeiter zu sehen. Maradona wollte ich den Film zeigen, als er fast fertig war. Das ist schon länger her, aber er war einfach immer zu beschäftigt. Er hat ihn bis heute nicht gesehen. Ich habe zwei Filme über Menschen gemacht, die tragischer Weise früh verstorben sind – alle sagten mir, wenn ich jetzt einen über eine noch lebende Legende drehe, wird diese viel mehr involviert sein. Das Gegenteil war der Fall. Der Film hatte seine Premiere im Mai beim Festival von Cannes und kommt jetzt in die Kinos, so haben ihn alle anderen vor ihm gesehen.

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