Interview mit Josef Hader über seinen neuen Film »Das ewige Leben«

Krimi-Mathematik ist undramatisch
»Das ewige Leben«

»Josef Hader«

Der Schauspieler und Kabarettist Josef Hader über seinen neuen Film »Das ewige Leben« und die Zusammenarbeit mit Regisseur Wolfgang Murnberger und Autor Wolf Haas

Herr Hader, Das ewige Leben ist bereits die vierte Verfilmung eines Kriminalromans um den Privatdetektiv Brenner, basierend auf den Romanen von Wolf Haas. Alle vier sind im selben Team entstanden: Sie in der Hauptrolle, Regie Wolfgang Murnberger, Drehbuch von Ihnen, Murnberger und Wolf Haas. Da gibt es schon eine gewisse Routine?

Das beginnt jedes Mal mit einer Sitzung von uns dreien, bei der wir uns überlegen, wollen wir  noch mal, und wenn ja, mit welcher Geschichte. Und wir haben uns bisher immer für die Geschichte entschieden, bei der wir das Gefühl hatten, wir wiederholen nichts. Da machen wir im Glücksfall noch einen Schritt in irgendeine Richtung. Nach dem »Knochenmann«, der die Tragikomödie konzentriert hat, aber auch ein bissl Lovestory war, wollten wir diesmal das pure Drama verstärken - mehr in die Figuren hinein, stärker ans Eingemachte gehen und mutig sein. Als Schauspieler hat man den Vorteil, dass man die Figur schon kennt. Aber gleichzeitig sind diesmal extrem schwere Szenen drin, denn die Figur macht noch einmal einen Sprung in ihrer Entäußerung. Das war schwer zu spielen.

Hat sich die Zusammenarbeit im Verlauf der Jahre verändert?

Es ist wie bei einer guten Fußballmannschaft, wo gewisse Automatismen entstehen. Man kennt die Stärken des anderen und muss bestimmte Dinge nicht mehr erklären. Wenn man so lange zusammenarbeitet, obwohl man sehr verschieden ist, entsteht am Ende ein großes Vertrauensverhältnis. Wir stehen zueinander, wenn der Druck von außen kommt. Wolf Haas hilft mit, dass ein guter Film entsteht, weil er auch ein Stück weit seinen Roman aufgibt. Und der Wolfgang ist gottseidank ein Regisseur, der andere an seiner Arbeit teilnehmen lässt. Er gibt mir und anderen den Raum sich einzubringen, und zwar von der ersten Drehbuchfassung bis zur Postproduktion.

Stimmt es eigentlich, dass Sie nicht generell ein Krimi-Fan sind?

Ja, aber Wolf schreibt ganz eigene Krimis, die mich schon interessieren. Er macht das in einer sehr speziellen Sprache und begleitet von ständigen Reflexionen. Er hat von Anfang an klare Charaktere. Meine Krimi-Abneigung hat damit begonnen, dass ich in der Schule keine Mathematikbeispiele mochte. Und das sind Krimis oft. Da geht’s drum, wer es warum gewesen sein könnte, und wer nicht. So eine Krimi-Mathematik ist undramatisch, die ersten langweiligen Krimis in meinem Leben waren die Agatha-Christie-Verfilmungen der 70er Jahre, die haben mich furchtbar angeödet. Die Filme, bei denen man von Anfang an weiß, wer gegen wen kämpft, haben mir immer viel besser gefallen. Mein Lieblingsfilm ist »French Connection«. Und in gewisser Weise haben wir dann bei der Drehbucharbeit eine diebische Freude daran, die letzten Krimi-Elemente aus den Romanen zu unterlaufen. Wir verraten von Anfang an, wer da schießt und mordet.

Wie weit bestimmt der Antagonist das Verhalten von Brenner?

Von Film zu Film wird der Handlungsspielraum von Brenner enger. Es ist der Antagonist, der die offensiven Schritte macht und der Brenner reagiert. Das ist schon sehr lange so, wir haben ihn von Film zu Film immer mehr des Handlungsspielraums beraubt. Ein zunächst sehr passiver Held, der dann doch was macht, aber das falsche.

Wie weit wird das auch bestimmt durch die Besetzung des Antagonisten? Sepp Bierbichler in »Der Knochenmann« war auf eine andere Weise präsent und dominierend als Tobias Moretti in »Das ewige Leben«.

Es war uns wichtig, den Gegenspieler so zu besetzen, dass er auch sympathische Züge hat, zwischen Gut und Böse oszilliert. Im neuen Film ist der Gegenspieler todkrank, gebrochen, aus Liebe mordend und von seiner Gefühlswelt her dem Brenner weit überlegen. Er hat etwas, um das er kämpft, das hat der Brenner nicht. Am Anfang waren wir unsicher, wer dafür in Frage käme, aber ab dem Moment, wo Tobias mit uns gelesen hat, haben wir gewusst, dass er es ist. Er gab viele Anstöße für das Drehbuch, bis zum letzten Moment vor dem Dreh hat er mit mir überlegt, wie können wir es noch verbessern. Der Tobias ist ein Jazzer, der musiziert gerne mit anderen und improvisiert dabei ein wenig. Die Rolle ist viel bunter und farbiger geworden, eben weil er sich so eingebracht hat. Bei Sepp Bierbichler war es so, dass wir die Rolle für ihn geschrieben haben. Bei der ersten Szene hab ich wirklich Angst gehabt vor ihm. So eine Art Scheu. Das war bei Tobias nicht so stark, weil wir schon gemeinsam am Text gearbeitet hatten. Mit beiden hab ich übrigens vorher noch nie gearbeitet.

Die Präsenz von Bierbichler hatte also durchaus etwas Einschüchterndes?

Die Ehrfurcht vor Bierbichler kam dem Film direkt zugute, denn unsere erste gemeinsame Szene war eine, wo ich ihn das erste Mal sehe und gegen ihn verliere. So konnte man das benutzen. Es war unsere erste Szene, weil wir vom Grundsatz her chronologisch drehen. Das war beim »Knochenmann« leichter, weil es vorwiegend ein Motiv mit dem Wirtshaus war. Jetzt war es schwieriger, weil wir teilweise auch in München gedreht haben, da wir von der Bayerischen Filmförderung Geld erhalten haben - entsprechend sind wir hier mehr hin- und hergesprungen.

Was »Das ewige Leben« von den drei Vorgängern unterscheidet, ist das Nichtauftauchen von Simon Schwarz als Brenners Freund Berti.

Er hat schon im vorigen Film über große Strecken gefehlt, diesmal haben wir überlegt, wie können wir seine Figur wieder hereinbringen, aber uns ist nichts Gescheites eingefallen. Simon hat uns zugestimmt und wollte auf keinen Fall Alibiauftritte am Anfang und am Schluss haben - lieber sollen wir das nächste Mal was Ordentliches schreiben für ihn. Wir waren ein bisschen traurig, haben aber gleichzeitig gespürt, er wäre fehl am Platz. Weil es wichtig ist, dass der Brenner hier ganz alleine auf seine Vergangenheit trifft, ohne jede Hilfe von außen. Eine Art quälendes Klassentreffen, dem er in Graz ausgesetzt ist.

Das ja mehr und mehr Züge eines Albtraums annimmt…

In früheren Filmen sind solche Dinge mit einer größeren Leichtigkeit passiert. Einerseits, weil das Genre ein anderes war, »Komm, süßer Tod« war noch mehr eine Krimi-Komödie. Andererseits steckt auch die Wahrheit dahinter, dass dieselben Fehler einfach im Alter viel tragischer sind. Wir haben begonnen mit einer Art von Tragikomödie, wo die Komödie noch stark betont war. Jetzt haben wir uns verlagert in einen Bereich, wo die Komödie noch da ist, aber das Drama genauso stark. Das war ein bewusster Prozess, weil uns das interessiert, vielleicht auch, weil wir selber älter geworden sind, da erlebt man auch etwas mehr Drama und weniger Komödie mit den Jahren.

Haben Sie Sich der Figur Brenner unterschiedlich nahe gefühlt in den vier Filmen?

Ich glaube fast, dass wir den Brenner in jedem Film so verwendet haben, wie es seinem Alter entspricht und somit auch meinem Alter. Ich habe mich immer nahe gefühlt, weil es immer potentielle Möglichkeiten meines eigenen Lebens waren. Beim ersten Film war ich Anfang 40 und alles wog noch nicht so schwer, »Silentium« ist mehr ein Kampf gegen alle Institutionen, »Der Knochenmann« war Brenners letzte Chance für die Liebe. Und im »Ewigen Leben« wird es schon sehr eng, da stürzt er sozusagen ins Bodenlose ab. Fast.

Für seinen Absturz in »Das ewige Leben« gibt es in Ihrer Karriere aber keine Parallelen?

Nicht eine so deutliche. Für mich ja, für die anderen aber nicht so spürbar. Aber eigentlich hat sich mein Leben nicht in großen Brüchen bewegt. Zumindest nicht beruflich, privat waren die Brüche etwas stärker da, aber da konnte man sich dann halt in den Beruf retten, da bin ich manchmal regelrecht dem Leben auf die Bühne davongerannt.
 

Als Nicht-Österreicher würde mich interessieren, wie real die Handlungsorte in den Filmen sind?

Es sind keine realistischen Filme, es wird um die Schauplätze von uns immer ein gewisser Mythos gestrickt. Graz ist in Wirklichkeit eine sehr lebenslustige, südliche Stadt, wo gerne Wein getrunken wird. Es ist die urbanste Landeshauptstadt. Salzburg ist nicht wie in »Silentium«, kann aber durchaus eine beklemmende Atmosphäre haben. Die Gegend um den Semmering hat etwas Verwunschenes, was natürlich im »Knochenmann« auch gesteigert wird. Es ist immer was da und wir machen es dann etwas größer - wie man es für die Geschichte brauchen kann.

... zur Filmkritik von »Das ewige Leben«

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