Kritik zu The Village – Das Dorf

© Buena Vista

Das Fremde in den Wäldern: Der neue Film von M. Night Shyamalan

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Mit den melancholisch-getragenen Horrordramen »The Sixth Sense«, »Signs« und »Unbreakable« hat M. Night Shyamalan ein eigenes Genre begründet. Bislang drehte er seine Filme, darin durchaus dem jungen Spielberg verwandt, mit den Augen eines ängstlichen und staunenden Kindes: wehmütige Reisen zurück in eine Zeit, in der die Welt noch voller Geheimnisse steckt und Eltern unangefochten die Helden sind. »The Village« ist erwachsener geraten – und in seiner Botschaft politischer.

Das Unbegreifliche scheint einfach so zu passieren. Dazu braucht es weder Erklärungen noch die Eindeutigkeit eines sichtbaren Spezialeffekts. Die Bedrohung durch übersinnliche Mächte ist in Shyamalans Filmen sowieso mehr Anlass als eigentliches Thema. Eigentlich geht es immer um den gleichen emotionalen Kern: um die Familie, die Schutz bietet, aber auch Schutz braucht, gegen Angriffe von innen wie außen. Vielleicht liegt in dieser Besinnung auf traditionelle Werte ein Grund für Shyamalans ungeheuren Erfolg. Wobei die manchmal naiv anmutende Spiritualität, das unbekümmerte Pathos, mit dem da jede vergossene Träne zum transzendentalen Großreinemachen verklärt wird, spätestens seit »Unbreakable« auch auf wütende Ablehnung stößt. Das Wunderbare kann bei Shyamalan mitunter so kalkuliert wirken wie bei einem routinierten Bühnenmagier. Sind das am Ende nicht doch rückwärts gewandte Erlösungsfantasien im Blockbuster-Gewand, Fluchten vor den Zumutungen eines kalten, entzauberten Lebens?

Dem Regisseur muss der Vorwurf vertraut sein, denn in »The Village« verleiht er seinem filmischen Kosmos eine neue, deutlich erwachsenere (Meta-)Perspektive. Die Sehnsucht nach einem einfachen Leben ist den erdigen Bildern von Roger Deakins (dem Leib-Kameramann der Coen-Brüder) schon von Beginn an eingeschrieben. Und in dem abgeschiedenen Dorf im Pennsylvania des Jahres 1897 hat die Zeitreise in eine bessere, überschaubare Welt scheinbar schon stattgefunden. In Wahrheit ist es ein Ort der Angst, der von Wachtürmen geschützt werden muss. Denn in den dunklen Wäldern, die das Dorf umschließen, herrschen unheimliche Wesen. Die Dorfbewohner, abgeschnitten von der restlichen Zivilisation, versuchen durch seltsame Rituale und Gesetze die Koexistenz mit der fremden Rasse zu regeln. Die Grundregel ist einfach: »Wir gehen nicht in ihre Wälder, sie kommen nicht in unser Dorf.« Die Farbe Rot ist verboten, weil sie die Kreaturen anlockt. Gelb hingegen gilt als sicher. Die Mäntel der Männer, die nachts am Waldrand patrouillieren, leuchten so gelb wie die Feuer der Fackeln und Öllampen, die hier die Grenzen der menschlichen Zivilisation markieren.

Das ist die Grundsituation, gewissermaßen die Versuchsanordnung, und von der eigentlichen Geschichte vorwegnehmen darf man nur so viel: Der junge Lucius Hunt (Joaquin Phoenix) wird immer neugieriger auf das Leben jenseits der Wälder. Seine Mutter Alice (Sigourney Weaver) warnt ihn nachdrücklich davor, den geschützten Mikrokosmos zu verlassen. Tatsächlich dringen die Kreaturen ins Dorf ein, nachdem Lucius zuvor die Dorfgrenze nur kurz überschritten hat. Das Dorfleben gerät endgültig aus dem Gleichgewicht, als sich Lucius in die blinde Ivy Walker (Bryce Dallas Howard), Tochter des charismatischen Dorfältesten Edward Walker (William Hurt) verliebt.

Neben Joaquin Phoenix, William Hurt und Adrien Brody in einer wichtigen Nebenrolle beeindruckt vor allem Bryce Dallas Howard. »The Village« ist aber kein typisches Stück Schauspielerkino. Eigentlicher Star ist das Drehbuch, von Shyamalan wie immer selbst verfasst. Dabei wird jeder Moment zwischen den Figuren einem höheren Zweck untergeordnet. Shyamalan hat etwas zu erzählen, und er will auf etwas hinaus. Die bekannte Botschaft, dass die Liebe alle Angst besiegt, wird hier bittersüß ausgekostet. Beängstigend präzise hingegen ist »The Village« erst bei der soziologisch genauen Beschreibung der Angst. Hier wird der Film zur doppelbödigen politischen Parabel. Es wird beschrieben, wie Abschottung nach außen und Repression nach innen Hand in Hand gehen. Die Angst entspringt nicht nur einer tatsächlichen Bedrohung, sondern sichert zugleich den Zusammenhalt der Gemeinschaft. So spiegelt sein Film, manchmal am Rande des Reaktionären, nicht nur den Wunsch nach einem idyllischen Leben, sondern zeigt auch, wie dieser Wunsch zerstörerische Formen annehmen kann.

Das klingt vielleicht trocken. »The Village« ist aber ein Film, der erlebt, nicht analytisch erschlossen werden will. Shyamalans große Meisterschaft liegt tatsächlich darin, sein Thema fast ausschließlich über die emotionale Beteiligung des Zuschauers zu vermitteln. Das Hollywood-Programm von Illusion, Einfühlung und Identifikation beherrscht er so virtuos wie kaum ein anderer. Dabei spielt er so gekonnt mit den Erwartungen der Zuschauer, dass sich am Ende so mancher manipuliert fühlen wird.

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