Kritik zu Sworn Virgin

Trailer OmU © drei-freunde

Die Italienerin Laura Bispuri erzählt in ihrem Debütfilm von einer Frau, die sich nach albanischem Brauch zuerst zu einem Leben als Mann entschieden hat, dann aber ihre Heimat verlässt und zur Identität als Frau zurückfindet

Bewertung: 3
Leserbewertung
0
Noch keine Bewertungen vorhanden

Die verschneite Berglandschaft ist wildschön, Steinhütte und Zäune stammen aus vorindustrieller Zeit. Etwas moderner das tuckernde Fährboot, das die junge Frau durch malerische Schluchten hinaus aus dem Gebirge bringt in eine andere Welt, von wo ein Autobus nach Italien fährt. Dort klingelt sie – offensichtlich unangekündigt – an einer Etagenwohnung einer nicht genannten Stadt. Die Frau hinter der Tür gibt sich über das Wiedersehen nicht gerade erfreut. Und auch »Mark«, wie sich die Angereiste mit schwerer Jacke und nach hinten gegeltem Haar nennt, tut wenig, um dem Befremden mit Auskünften abzuhelfen, wird aber erstmal bei der kleinen Familie aufgenommen.

Das Publikum lernt bald aus Rückblenden, dass die Frauen Adoptivschwestern sind, die als Kinder eng verbunden waren, doch dann durch unterschiedliche Antworten auf die Zumutungen einer patriarchalen Gesellschaft auseinander gerieten. Eine archaische Welt, wo der Bräutigam zur Hochzeit vom Vater der Braut eine Gewehrkugel geschenkt bekommt, um seine Frau bei eventuellem Ungehorsam zu erschießen.

Lila wählte den Ausweg durch einen gegen die Regeln selbst ausgesuchten Ehemann und Flucht nach Italien, Hana/Mark die traditionelle Option, als »eingeschworene Jungfrau« selbst zum patriarchalen Machthaber (samt Gewehrbesitz) zu werden: Ein alter nordalbanischer Brauch, nach dem ledige Frauen in Sippe und Gesellschaft die soziale Männerrolle übernehmen können, wenn es keinen Mann mehr in der Familie gibt und sie einem lebenslangen Zölibat zustimmen.

Der von der jungen italienischen Regisseurin Laura Bispuri nach einem gleichnamigen Buch von Elvira Dones inszenierte Film erzählt diese Geschichten in rauer Breitwandoptik mit der Verflechtung von drei Zeitebenen, die von der Kindheit bis zur Wiederannäherung der beiden Frauen im filmischen Jetzt reichen. Fast überdeutlich ausgestellt dabei die Gegensätze zwischen dem naturnah kargen Hirtenleben und den sterilen Einkaufszentren des Westens, von sozialer Rigidität und der marktförmigen Erotik sich zur Schau stellender durchgestylter Körper in einem Hallenschwimmbad, wo Lilas pubertierende Tochter Jonida Wasserballett trainiert (und Lars Eidinger als Bademeister zu Hanas Begehrobjekt wird). Dabei ist es wenig plausibel, dass, wie im Film behauptet, die von Mark angenommene, sozial gegründete Männerrolle auch in der italienischen Umgebung als solche anerkannt und Mark etwa von Jonida für einen biologischen Mann gehalten wird.

Besonders reizvoll an Bispuris Film ist – außer der albanischen Natur – Mark/Hanas später Entwicklungsprozess aus verinnerlichten Zwängen zu persönlicher Freiheit. Eine Bewegung, die auch gesellschaftliche Rollenbilder spiegelt und von Alba Rohrwacher mit einer schönen Sprödheit gespielt wird und zum Glück nicht in mit High Heels und Dekolleté konditionierte Weiblichkeit mündet. Enttäuschend nur ein Ende, das nach einer eigentlich starken Szene Lila und Hana fast abrupt mit klimpernder Abspannmusik unterbricht, als die gerade in einem Lokal gemeinsam ein Lied ins Mikrofon singen.

Meinung zum Thema

Ihre Meinung ist gefragt, Schreiben Sie uns

Mit dieser Frage versuchen wir sicherzustellen, dass kein Computer dieses Formular abschickt