Kritik zu Servus Papa, See You in Hell

© Port au Prince

Basierend auf den Erinnerungen von Jeanne Tremsal, die in der Aktionsanalytischen Kommune von Otto Mühl aufwuchs, ist ein Spielfilm entstanden, der zeigt, wie sich alternative Ideale in autoritäre Strukturen verwandeln können

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Die vermeintliche Idylle des Anfangs – junge Leute, die in der freien Natur im Kreis sitzen und musizieren – hält nur kurz an. Denn die Frauen, die in der Mitte stehen und das Wort führen, bedienen sich einer äußerst aggressiven Rhetorik, die auch das Spottlied kennzeichnet, das eine von ihnen auf einen der anwesenden Männer anstimmt. Schließlich wird ein anderer Mann direkt angeklagt: Er habe versucht, eine Frau zu überreden, mit ihm auszuziehen. Willkommen in der geschlossenen Welt einer Sekte, gekennzeichnet durch eine Hierarchie mit einem Guru an der Spitze. Sein Name ist Otto, und wer 1991 schon im lesefähigen Alter war, dürfte sich an die realen Vorkommnisse erinnern. Damals wurde Otto Mühl, in den 60er Jahren als Aktionskünstler bekannt geworden, verhaftet und zu sieben Jahren Gefängnis verurteilt, vorrangig wegen Unzucht mit Minderjährigen in der von ihm 1974 im burgenländischen Friedrichshof etablierten AAO-Kommune. AAO stand für »Aktionsanalytische Organisation«, in der verschiedene psychoanalytische Lehren vermengt wurden mit dem Ziel der Befreiung des Individuums von den Zwängen von Kleinfamilie und Zweierbeziehung. Ein Mittel dafür war die Selbstdarstellung, die Kritik an eigenem Fehlverhalten und das Ausagieren unterdrückter Gefühle mittels Schreien und Tanzen, wie es am Beginn dieses Films steht.

Otto Mühls Kommune war bereits vor zehn Jahren Thema eines autobiografischen Films. Damals spürte Paul-Julien Robert in »Meine keine Familie« seinem Aufwachsen in der Kommune nach. Mit »Servus Papa, See You in Hell« wird das Thema jetzt als Spielfilm aufbereitet, basierend ebenfalls auf eigenen Erfahrungen – denen von Jeanne Tremsal, die gemeinsam mit Regisseur Christopher Roth das Drehbuch geschrieben hat (und im Film in der Rolle ihrer eigenen Mutter zu sehen ist).

Der Film verzichtet weitgehend auf die äußere Uniformität der Kommune (Latzhosen und kurz geschorene Haare), so wie Clemens Schick auch nur selten in den Wiener Sprachduktus Mühls verfällt. Das weitet die Erzählung über den konkreten Fall hinaus, auch wenn offenbleibt, ob es sich bei dem SPÖ-Politiker (ein Gastauftritt von Hanns Zischler), der zu Ottos Geburtstag anreist, aber in erster Linie am Sex mit dessen Schutzbefohlenen interessiert ist, um einen Einzelfall handelt. Überhaupt nimmt der Film die Rolle des Gurus (der Name Mühl fällt nicht) stark zurück. Es sind eher zwei Frauen, die in seinem Sinn den Laden am Laufen halten. Ein perfektes System der Machtausübung, zu der auch die Denunziation von Liebesverhältnissen gehört. »Sex ja – Liebe nein« lautet die Devise. So erwächst die Rebellion der 14-jährigen Jeanne schließlich auch daraus, dass der Junge, in den sie sich verliebt hat, in eine der Stadtkommunen verbannt wird. Am Ende bringt die Beschlagnahmung und Verbrennung der Tagebücher der Kinder das Fass zum Überlaufen: Auf breiter Front rebellieren sie. So funktioniert der Film durchaus als Lehrstück über Macht und Machtmissbrauch im Namen der Freiheit.

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