Kritik zu Rave On
Der Film von Nikias Chryssos und Viktor Jakovleski versucht einmal mehr, die Technokultur spannend fürs Kino in Szene zu setzen
Techno ist überall, von Subkultur kann schon lange keine Rede mehr sein. Was in Deutschland in improvisierten Clubs begann, wurde nach dem Mauerfall durchkommerzialisiert und geistert heute auch gern als erzählerischer Hintergrund durch die hiesige Film- und Serienlandschaft. Die Serie »Beat« spann um einen dauerkoksenden Club-Promoter eine abstruse Haken schlagende Thrillerserie, die ARD-Serie »The Next Level« versuchte zuletzt auf Grundlage einer »Spiegel«-Reportage über einen Tod im »Berghain« von Clubkultur, Immobilienhaien und dem Nachwende-Berlin zu erzählen.
Wenigen deutschen Spielfilmen und Serien ist es gelungen, das Milieu glaubwürdig einzufangen, Hannes Stöhrs »Berlin Calling« von 2008 sticht noch immer heraus. Da macht es schmunzeln, dass Nikias Chryssos' und Viktor Jakovleskis filmischer Ketamin-Trip »Rave On« eine ähnliche Prämisse stark kinematographisch zuspitzt. Folgte »Berlin Calling« breiter angelegt einem DJ auf seinem zwischen Drogen- und Beziehungseskapaden lavierenden Weg zum neuen Album, konzentriert sich »Rave On« auf eine Clubnacht, in der ein Producer dem gefeierten Idol seine neue Platte überreichen will.
»Ich will nur kurz rein, was ist los?« Kosmo, nervös tiefgründig gespielt vom »Die Zweiflers«-Star und DJ Aaron Altaras, will nicht »'nen Link übers Internet« schicken, wie vom Türsteher vorgeschlagen. »Platte ist was anderes«, sagt der Producer und wird mit seinen Hundeaugen doch in den Club reingelassen, um Headliner und Pionier Troy Porter, gespielt von Chicago-House-Musiker Jamal Moss aka Hieroglyphic Being, seine erste Platte seit langem in die Hand zu drücken. Ein persönlicher Wiedergutmachungsmoment, denn Kosmo hat einen Gig vor Porter auf Drogen in den Sand gesetzt und damit auch seinen damaligen Kompagnon Klaus (Clemens Schick) verprellt.
Die filmische Prämisse ist so einfach wie genial, denn dadurch eröffnet sich dem Regieduo, das auf tatsächlich veranstalteten Partys gedreht hat, eine immense Freiheit. »Rave On« taucht mit Kosmo immer tiefer ein in den Club mit seinen verwinkelten, bunkerartigen Gängen. Auf dem Dancefloor stampft die Musik, in der Dunkelheit zucken die Körper, und in den Toiletten treffen sich die Partypeople zum kalkulierten Mischkonsum von weißen Pulverlinien auf Handyfronten.
Kosmos Plan, nüchtern zu bleiben, geht komplett in die Hose, und nach einer Pille und einer Nase vom »Dino-Keta« marodiert der DJ mit der Vinyl im Jutebeutel durch die Gänge oder den gut besuchten Darkroom – auf der Suche nach einem Zugang zum VIP-Bereich und, begleitet von Begegnungen mit alten Bekannten, nach sich selbst.
Mit surrealen Ausflügen, expressiv den Rausch erfahrbar machenden, flirrenden und teils verzerrten Bildern von Jonas Schneider und dem Sound von Ed Davenport verwandelt »Rave On« das Kino selbst in einen Club. Und verhandelt mit Kosmos persönlicher Tour de Force das Gefühl einer Szene zwischen Exzess, Eskapismus und Abgründen, zwischen gestern und heute, Vinyl und TikTok-Artists. Der Film bringt diese Konfrontation zu einem irgendwie versöhnlichen Ende, und was soll man sagen: Music is the key!
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