Kritik zu Rabiye Kurnaz gegen George W. Bush

© Pandora Film

2022
Original-Titel: 
Rabiye Kurnaz gegen George W. Bush
Filmstart in Deutschland: 
28.04.2022
L: 
119 Min
FSK: 
6

Andreas Dresen und Autorin Laila Stieler verfilmen den Fall Murat Kurnaz als flotte Dramedy, mit dem Fokus auf Mutter Rabiye als sympathischer Heldin

Bewertung: 3
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Dass Andreas Dresen sich wie kaum ein anderer deutscher Regisseur auf dramatische Ernsthaftigkeit genauso versteht wie auf leicht bekömmliche Komödienkost, hat er schon oft bewiesen. Seine Bandbreite reicht von »Sommer vorm Balkon« und »Whisky mit Wodka« bis »Halt auf freier Strecke« und »Gundermann«. Selten allerdings wagte er innerhalb eines einzigen Films einen erzählerischen Spagat wie den, an dem er sich nun in »Rabiye Kurnaz gegen George W. Bush« versucht.

Der Film, für den sich Dresen wieder mit der Autorin Laila Stieler zusammengetan hat, erzählt die wahre Geschichte der Bremer Hausfrau Rabiye Kurnaz, deren ältester Sohn Murat im Herbst 2001, nur wenige Wochen nach dem Terroranschlag auf das World Trade Center, unangekündigt nach Karatschi aufbricht. Zunächst machen die aus der Türkei stammende Rabiye (Meltem Kaptan) und ihr Mann sich nicht zu viele Gedanken, doch dann stehen plötzlich Reporter vor Tür: Hier soll ein Taliban wohnen!

In Pakistan wurde Murat verhaftet und von den US-Amerikanern nach Guantanamo verschleppt, wo er ohne Anklage einsitzt, einfach weil er ins Profil dessen passte, was nach 9/11 als Terrorverdächtiger galt. Rabiye ist verzweifelt und ratlos, in ihrer Überforderung aber auch überaus patent. Dank des Telefonbuchs und ein wenig Glück stößt die temperamentvolle Frau auf den norddeutsch-spröden Anwalt Bernhard Docke (Alexander Scheer), der auf Menschenrechtsfragen spezialisiert ist und sofort erkennt, dass dieser Fall nur so strotzt vor Ungerechtigkeiten. Gemeinsam legen die beiden einen mühsamen Weg durch die Instanzen und Institutionen zurück, der sie bis ins Weiße Haus und auch in die Türkei führt. Und lange dauert: Erst 2006, nach 1786 Tagen der Internierung, kehrt Murat Kurnaz nach Hause zurück.

Kurnaz' Geschichte wurde hierzulande vielfach erzählt, nicht zuletzt von ihm selbst (seine Autobiografie ist unter dem Titel »5 Jahre Leben« auch verfilmt worden), doch Dresen und Stieler konzentrieren sich nun ganz auf seine Mutter. Tatsächlich ist Rabiye Kurnaz, zumal in Kaptans energiegeladener Darstellung (die etwas überraschend mit dem Silbernen Berlinale-Bären ausgezeichnet wurde), eine fantastische Filmheldin: leidenschaftlich und naiv, mit ebenso viel Gerechtigkeitssinn wie Humor gesegnet, unverbogen und quirlig. Eine Figur wie gemacht dafür, eine Feelgood-Geschichte zu schultern, von Dresen warmherzig in Szene gesetzt und durch Scheers reservierten Anwalt wunderbar konterkariert.

Ob dieser Ansatz allerdings der richtige ist, um vom Fall Kurnaz zu erzählen, steht auf einem anderen Blatt. Sowohl Murats traumatische Erfahrungen als auch das Ausmaß des Versagens der deutschen Politik werden in »Rabiye Kurnaz gegen ­George W. Bush« arg an den Rand gedrängt. Und der Wahrhaftigkeit seines Films tut Dresen keinen Gefallen mit Kleinigkeiten wie dem Auftreten eines fiktiven, vollkommen uncharismatischen Hollywoodstars oder einem eigenen Cameo-Auftritt als Richter am Supreme Court.

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