Kritik zu Peter Hujar's Day

© Salzgeber

2025
Original-Titel: 
Peter Hujar's Day
Filmstart in Deutschland: 
06.11.2025
L: 
76 Min
FSK: 
Ohne Angabe

Die Tonbandaufzeichnung eines eintägigen Gesprächs aus dem Jahre 1974 diente als Vorlage dieses Zweipersonenkammerspiels von Ira Sachs, mit dem er Peter Hujar, einem Fotokünstler aus dem New Yorker East Village, eine längst überfällige Hommage erweist

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Peter Hujar (1934–1987) war ein New Yorker Fotograf, hochgeschätzt unter Kollegen, jedoch nie so berühmt wie Nan Goldin oder Robert Mapplethorpe. An einem Wintertag 1974 besuchte er die Autorin Linda Rosenkrantz in deren Apartment. Für ein Kunstprojekt hatte sie ihn gebeten, alles niederzuschreiben, was er an einem Tag so gemacht hat. Anschließend ließ sie ihn bei laufendem Tonband darüber reden. Das Projekt kam nicht zustande, doch die Abschrift des eintägigen Gesprächs wurde Jahrzehnte später im Peter-Hujar-Archiv in der Morgan Library entdeckt und 2022 veröffentlicht. Indie-Regisseur Ira Sachs, der zuletzt mit Franz Rogowski und Hujar-Darsteller Ben Whishaw das Beziehungsdrama »Passages« drehte, hat das Transkript als dynamisches Zweipersonenkammerspiel in Szene gesetzt.

Beim Teetrinken am Tisch, vor dem Fenster, auf dem Sofa, auf dem Bett lümmelnd und auf der Dachterrasse entspinnt sich ein Dialog; oder vielmehr ein von Nachfragen und Bemerkungen von Rosenkrantz' unterstützter Monolog des Fotografen. Der 75-minütige, von Schweigemomenten und Zigarettenziehen getaktete Redefilm ist auch dank der minimalistischen Eleganz der Inszenierung unerwartet anregend. Neben Zweieraufnahmen und Schuss-Gegenschuss-Sequenzen wird in Großaufnahmen der Stil von Hujars statuarischen Porträtfotografien mit ihrer meisterhaften Licht-Schatten-Modellierung nachempfunden. Einmal wird das Artifizielle des Gezeigten unterstrichen durch einen wie ein Spion im Winkel stehenden Kameramann und einen ins Bild ragenden Tongalgen.

Ist die Ausstattung mit ihrem akkuraten Siebziger-Zeitkolorit eine Augenweide, so macht auch – sofern man sich auf das Mäandern einlässt – das Zuhören Spaß. Entspannt quatschend spielen sich Whishaw und Rebecca Hall die Bälle zu, wenn Hujar erzählt, was er am Vortag gemacht hat. Nämlich mit Susan Sontag telefoniert, dann für ein Fotoshooting Allen Ginsberg getroffen, der um die Ecke im East Village wohnte, und den er nicht mochte. »Aber für die New York Times sind die Fotos gut genug.« Das Namedropping umfasst prominente und weniger bekannte Personen, die beiden tratschen und unterhalten sich nebenbei über Hujars Abzugstechnik. »Dann ging ich in die Dunkelkammer«, lautet ein wiederkehrender Satz.

Nun ist die analoge Fotografie wie die Schallplatte ein nicht totzukriegendes Relikt aus jenen Tagen. Auch diese Momentaufnahme wirkt gleichzeitig gestrig und heutig. Wie in einer Zeitkapsel wird die New Yorker Undergroundszene jener Tage lebendig, aber auch der tägliche Kampf des Künstlers um Geld, Inspiration und Disziplin. Hujar, bestens vernetzt, jedoch kompromisslos und wenig geschäftstüchtig, erscheint als Archetypus eines Künstlers und seines von permanenten Selbstzweifeln begleiteten Schaffensprozesses. »Was hab ich eigentlich gemacht?«, grübelt er. Unangestrengt zieht einen dieses konzise kleine Kammerspiel in den Bann einer innigen Freundschaft und eines kreativen vermeintlichen Leerlaufs, in dem, redend und rauchend, das Leben bei der Arbeit gezeigt wird.

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