Kritik zu Little Men

© Salzgeber

Ira Sachs (»Keep the Lights On«) erzählt von der Freundschaft zweier 13-Jähriger im Milieu des sich gentrifizierenden Brooklyn

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Brian (Greg Kinnear) gibt sich größte Mühe. Der eher glücklose Schauspieler, der nie den ersehnten Durchbruch geschafft hat, möchte wenigstens seinem Sohn Jake (Theo Taplitz) ein guter Vater sein. Also begegnet er dem 13-Jährigen möglichst auf Augenhöhe. Dahinter steht natürlich auch die Hoffnung, dass Jake, ein talentierter Zeichner und Maler, einmal den Erfolg haben wird, der ihm verwehrt blieb. Aber das schmälert die Bedeutung der Gespräche zwischen Brian und Jake keineswegs. Schließlich hat alles im Leben verschiedene Seiten, die zusammengehören und sich doch widersprechen können. Genau darum geht es Ira Sachs in »Little Men«: Die oft unvereinbaren Gegensätze, die in ihrer Summe unseren Alltag ergeben, müssen nicht versöhnt werden.

Einmal erzählt Brian seinem Sohn von der Rolle, die er gerade probt. Er wird den Trigorin in einer kleinen Off-Produktion von Anton Tschechows »Die Möwe« spielen. Auch so ein gescheiterter, vor sich hin treibender Mann, dem die Kraft fehlt, das Richtige zu tun. Als Brian seinem Sohn die verwickelten Beziehungsverhältnisse in dem unendlich traurigen und doch auch komischen Stück erklärt, fasst Jake sie mit dem Adjektiv »kompliziert« zusammen. Doch das kann sein Vater so nicht ganz stehen lassen. Er korrigiert ihn sanft und ersetzt »kompliziert« durch »komplex«. Damit beschreibt er zugleich auch den Film selbst. »Little Men« durchweht tatsächlich der Geist Tschechows. Tragisches und Komisches, Banales und Weltbewegendes fließen ineinander, durchdringen sich, bis sie nicht mehr voneinander zu trennen sind. Es ist das Wesen des Lebens, seine Komplexität, die Jake erst zu erfassen beginnt.

Von seinem Vater erbt Brian zusammen mit seiner Schwester Audrey ein Haus in Brooklyn. Eine einmalige Gelegenheit für den Schauspieler, der kaum etwas verdient und vom Geld seiner Frau Kathy (Jennifer Ehle) leben muss. Also zieht die Familie von Manhattan an das andere Ufer des East River. Für den introvertierten Jake ist das zunächst schwer. Aber dann lernt er den gleichaltrigen Tony (Michael Barbieri) kennen, der das komplette Gegenteil des verschlossenen, die Menschen scheuenden Zeichners ist. Trotzdem sind die beiden schon bald unzertrennlich. Doch damit geraten sie zwischen die Fronten ihrer Eltern, da Tonys Mutter Mieterin bei Brian und Audrey ist.

Ira Sachs erzählt von der Freundschaft der beiden 13-Jährigen mit einer Ernsthaftigkeit und zugleich mit einer Leichtigkeit, die die Magie dieser ganz besonderen Beziehung perfekt einfängt. Gleich mehrmals saust die Kamera mit Jake und Tony durch die Straßen Brooklyns. Die beiden bewegen sich in ihrer eigenen Welt, die Sachs durchaus als Paradies der Jugend inszeniert, und doch schwingt die Veränderung, die auf die zwei wartet, auch in diesen Szenen immer mit. Brooklyn befindet sich in einer Phase des Übergangs. Und wie meist in der Realität der Erwachsenen geht es dabei um Geld. Die Verhältnisse sind komplex. Jeder trägt seine eigene Schuld und will doch eigentlich das Beste. Es ist zum Lachen und zum Verzweifeln.

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