Kritik zu The Other Side of the River

© JIP Film

2021
Original-Titel: 
The Other Side of the River
Filmstart in Deutschland: 
27.01.2022
L: 
92 Min
FSK: 
12

Die andere Seite des Krieges: Regisseurin Antonia Kilian beobachtet eine junge kurdische Polizistin

Bewertung: 3
Leserbewertung
3
3 (Stimmen: 1)

Die westkurdischen Frauenkampfverbände sind ganz besondere Truppen. Viele der Rekrutinnen kämpfen nicht nur für die Freiheit ihres Heimatlandes Rojava, sondern auch für die der eigenen Person. So ist der Dienst für viele Frauen eine der wenigen Möglichkeiten, den familiär umgesetzten Zwängen der traditionellen kurdischen Gesellschaft zu entfliehen. Denn trotz des demokratischen Programms der 2016 in Nordsyrien ausgerufenen autonomen Republik sind weite Teile der Gesellschaft patriarchal geprägt. Außerdem waren große Gebiete der Region zeitweilig von den Milizen des sogenannten Islamischen Staates besetzt.

Regisseurin Antonia Kilian ist eine Feministin, die mit den kurdischen Frauen sympathisiert. Als sie im Fernsehen einen Bericht über die Befreiung der Stadt Minbic durch kurdische Kämpferinnen sah, beschloss sie, mit der Kamera in das Kampfgebiet zu ziehen, erzählt sie im Kommentar. Doch die Kommandantinnen vor Ort fanden den Krieg zu gefährlich für die deutsche Besucherin und vermittelten sie an eine Polizeiakademie, wo junge Frauen eine militärische und politische Grundausbildung bekommen und neben dem Umgang mit dem Sturmgewehr auch den mit dem Patriarchat lernen.

Dort traf Kilian mit der jungen Hala eine besonders entschlossene Kämpferin, die als Feldwebel andere Rekrutinnen beim körperlichen Training anleitet. Später berichtet sie in verschiedenen Konstellationen von ihrer Motivation für ihre Arbeit als Polizistin, nämlich durch die Erfahrung von Ungerechtigkeit und Gewalt (unter anderem eine Steinigung in der Nachbarschaft). Auch sie ist mit dem Eintritt in die Regeln des kasernierten Lebens einer von der Familie aufgedrückten Zwangsheirat entkommen. Für diesen Ungehorsam und die der (auch vielfach mit dem IS verschwägerten) Familie eingebrachte »Schande« will der Vater sie töten, wie eine ihrer Schwestern Hala in heimlichen Mails schreibt.

Regisseurin Kilian begleitet Hala, als diese nach der Ausbildung mit ihrer ebenfalls geflohenen Schwester Sosam im Polizeikommissariat von Minbic arbeitet, wo ihre Einheit unter anderem gegen verschiedene Formen familiärer Gewalt antritt. Persönlich plant sie, auch ihre anderen Schwestern vor den drohenden Zwangsehen zu befreien. Doch dann kehrt Sosam gegen Halas Willen ins Elternhaus zurück – um zu heiraten: für Hala ein harter Loyalitätskonflikt, dessen Folgen die Lage so sehr eskalieren lässt, dass sie aus dem Polizeidienst entlassen wird und sogar für einige Tage im Gefängnis landet. 

Mehr soll hier nicht referiert werden. Der in enger Kooperation mit lokalen Kräften realisierte und von Kilian selbst in einprägsamen Bildern fotografierte Film erzählt Halas Geschichte bewusst fragmentarisch. Dabei platziert der persönlich gehaltene Kommentar die Filmemacherin klug zwischen Engagement und Distanz. Am Ende bleibt Halas Situation faktisch offen, atmosphärisch liegt dennoch wenig realistische Befreiung in der Luft. Aber wenn die jungen Frauen ins Wasser des Euphrat gehen, dann nicht, um darin zu sterben.

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