Kritik zu Irresistible

englisch © Focus Features

2020
Original-Titel: 
Irresistible
Filmstart in Deutschland: 
06.08.2020
L: 
101 Min
FSK: 
Ohne Angabe

Ex-Talkmaster Jon Stewart macht sich übers Polit-Establishment lustig. Leider hält sich seine Satire für cleverer, als sie ist

Bewertung: 3
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Mit seiner »Daily Show« war Jon Stewart eine Ikone unter den US-Late-Night-Talkern. Als »Botschafter des Besseren«, wie ihn die »Zeit« 2015 nach 16-jähriger Bildschirmpräsenz verabschiedete, stand er nicht bloß für satirische Blödelei, sondern auch für kritisches Bewusstsein und politische Inte­grität. Ein Komiker als Journalist – und umgekehrt.

Eine ähnliche Mischung bietet auch »Irresistible«, Stewarts zweite Kinoregie nach dem ungleich ernsteren Entführungsdrama »Rosewater« von 2014. Es geht um die grotesken Auswüchse des amerikanischen Politgeschäfts: um manipulative Methoden, mit denen sich Karrieren quasi aus dem Nichts kreieren lassen, um zynische Tricks, die den Erfolg käuflich machen.

Wenn Stewart dabei das Pathetische aufs Absurde prallen lässt und hehre Botschaften auf albernen Klamauk, dann scheint es fast, als wolle er die gegenläufigen Strategien des klassischen Politkinos von Frank Capra und Preston Sturges miteinander vermählen. Zwischen Anspruch und Wirklichkeit klafft allerdings eine ziemlich große Lücke.

Im Zentrum der Story steht Gary Zimmer, ein mit allen Wassern gewaschener Kampagnen­chef der Demokratischen ­Partei. Steve Carell, wie Stewart ein »Daily Show«-Gewächs, spielt ihn halb überheblich, halb peinlich, also im typischen »Office«-Modus. Nach dem Fiasko bei den letzten Präsidentschaftswahlen entdeckt er bei YouTube einen Hoffnungsträger aus der politischen Provinz. Jack Hastings (Chris Cooper), Grummelfarmer und Ex-Marine im verschlafenen Wisconsin, setzt sich vehement für die Belange von Immigranten ein, könnte also auf perfekte Weise Konservatives mit Progressivem vereinen. Und schon sitzt der abgezockte Gary im Flieger gen Swing State: ein urbanes Alphamännchen, das es den Hinterwäldlern mal so richtig zeigen wird. 

Als Hastings nach anfänglichem Zögern schließlich einwilligt, bei der Bürgermeisterwahl anzutreten, entwickelt sich das lokale Rennen zu einer nationalen Angelegenheit, denn Garys Engagement lockt wiederum Faith Brewster (Rose Byrne) auf den Plan, seine Erzfeindin aus dem republikanischen Lager. Beide Seiten pumpen mehr und mehr Geld in ihre Kampagnen, tragen einen immer verrückteren Stellvertreterkrieg aus. Bis zum Tag der Wahl, der mit einem völlig unerwarteten Ergebnis endet.

Dass Stewart zur Kategorie »unzuverlässiger Erzähler« zählt, deutet bereits die etwas wirr geratene Einstiegsmontage an. Da fängt der Film gleich mehrmals von vorne an, findet für Trumps Wahlsieg das hübsche Symbol einer Kanonenkugel, die den US-Wähler buchstäblich umhaut, und lässt dann Gary und Faith ihre Presse-Statements mit dem freimütigen Bekenntnis enden, alles, was sie sagten, sei eine Lüge. Es bleibt offen, ob das Ganze satirische Fantasie oder dreiste Flucht nach vorne ist, gemäß der Devise: zu ehrlich, um wahr zu sein. Aber es bleibt das vage Gefühl eines doppelten Bodens.

Es sind Momente wie diese, in denen »Irresistible« eine satirische Schärfe andeutet, von der man sich mehr gewünscht hätte. So boshaft-konsequent wie einst Barry Levinsons »Wag the Dog« etwa ist Stewarts Inszenierung nicht mal im Ansatz – und leider auch nicht so komisch. Wieder und wieder laufen die Gags nach demselben Schema ab: Gary, der überhebliche Fish-out-of-Water, mokiert sich über die Rückständigkeit seiner Gastgeber, wird aber nur Sekunden später eines Besseren belehrt und steht als arroganter Schnösel da, der obendrein noch in Chauvi-Manier ein Auge auf Hastings' viel zu junge Tochter Diana (Mackenzie Davis) wirft.

Ein weiteres Problem, für das der Film allerdings nur zum Teil verantwortlich ist: Thematisch hinkt der Stoff aktuell gleich doppelt hinterher. Die Corona-Pandemie lässt das Sujet zumindest vorübergehend gestrig erscheinen, und der politische Aufruhr, in dem sich die USA infolge des Todes von George Floyd befinden, lässt Stewarts Kritik an der vermeintlichen Lethargie des politischen Klimas ins Leere laufen – womöglich ebenfalls nur vorübergehend. So oder so kosteten die Entwicklungen des Jahres 2020 »Irresistible« den US-Kinostart. Dort gab es für ihn nur eine Internetpremiere.

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