Kritik zu The Imitation Game

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Morten Tyldum, bekannt geworden mit der Jo-Nesbø-Verfilmung »Headhunters«, verfilmt die Biografie des ­genialen Mathematikers, Enigma-Entschlüsslers und wegen seiner Homosexualität verfolgten Alan Turing

Bewertung: 4
Leserbewertung
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3.3 (Stimmen: 6)

Mit Filmbiografien ist das so eine Sache. Hangeln sie sich zu sehr an den Leistungen ihres Protagonisten entlang, gelten sie schnell als »konventionell« – wo bitte ist der »intellektuelle Mehrwert«? Wird es andererseits zu kritisch, gerät die Würdigung womöglich zur Demontage. Auch das kann nicht wirklich Sinn der Sache sein. Zumindest wenn es um einen Mann wie den Briten Alan Turing geht: Während des Zweiten Weltkriegs war der geniale Mathematiker und frühe Computerpionier maßgeblich an der Entschlüsselung der legendären deutschen Enigma-Codes beteiligt. Historiker gehen davon aus, dass diese Leistung den Krieg um Jahre verkürzte. Allerdings blieb Turings Arbeit jahrzehntelang als Geheimsache unter Verschluss. Eine offizielle Würdigung blieb aus, stattdessen wurde er 1952 in England wegen »homosexueller Unzucht« vor Gericht gestellt und musste sich einer chemischen Kastration unterziehen; 1954 beging er Selbstmord.

Angesichts dieses zutiefst tragischen Schicksals sollte man es als legitim betrachten, dass sich The Imitation Game in »konventioneller« Manier auf Turings Verdienste konzentriert und ihn gänzlich ungebrochen als exzentrisches Genie por­trätiert. Bereits als Schüler ist er ein malträtierter Außenseiter – der Film zeichnet seine Neurosen als Symptome einer Gesellschaft, die mit Andersartigkeit, und sei es Genialität, nicht umzugehen weiß. Das ist alles gut geschrieben, spannend inszeniert und gewinnt durch die Verschachtelung dreier Zeitebenen (Schulzeit, Enigma-Einsatz, Verhaftung) erzählerische Finesse. Benedict Cumberbatch bereitet in der Hauptrolle großes Vergnügen, auch wenn er Turing als eine Art Mathematiker-Version seines Sherlock Holmes anlegt: Sarkastisch, genialisch und auf verschrobene Weise charmant. Als Zuschauer erfährt man gerade so viel über den Mann, um neugierig auf mehr zu werden – ein nicht zu unterschätzender Balanceakt.

Und doch ist der Film mehr als ein Biopic. Drehbuchautor Graham Moore und der norwegische Regisseur Morten Tyldum entwickeln aus Turings Schicksal einen Themenkomplex, der über die reine Nacherzählung eines Lebens hinausweist: Beinahe beiläufig zeichnet The Imitation Game gemäß dem Titel das Porträt einer Welt, in der fast alles auf Schein und Spiel, Trug und Mimikry basiert. Das beginnt auf privater Ebene, wenn Turing als Schüler die tiefe Erschütterung über den Tod seines einzigen Freundes überspielt. Oder wenn er als heimlicher Homosexueller durch die Verlobung mit einer Mitarbeiterin die Lebensführung eines »ordentlichen« Mannes nachahmt; seine Verlobte wiederum muss ihren Eltern einen Job als Armeesekretärin vorspielen, weil es sich im England der 1940er Jahre für eine Frau nicht ziemt, mit Männern zu arbeiten. Für das Militär konstruiert Turing eine Maschine, welche die »Denkweise« der Enigma imitieren und dadurch ihren Code knacken soll. Die britische Armee wiede­rum gaukelt den Deutschen vor, die Enigma trotz aller Mühen nicht entschlüsseln zu können, damit diese kein neues ­Chiffriergerät entwickeln. Ein Kollege Turings geriert sich als Unschuldslamm, spioniert in Wahrheit aber für die Sowjets; der Chef des MI6 gibt derweil den planlosen Schnüffler, obwohl er den Sowjetspion längst durchschaut hat. Hintersinnig satirisch wirkt es in diesem Spiel um Identitäten, wenn auf dem Militärgelände die Lichtbildausweise des Mathematikerteams auch nach Jahren noch streng kon­trolliert werden – als könne nur das amtlich gedruckte Papier, nicht aber der vertraute Augenschein Gewissheit garantieren.

Zu Beginn betrachtet Alan Turing die Decodierung der Enigma als spielerisch-intellektuelle Herausforderung; der todernste Hintergrund wird ihm erst später bewusst. Anders der Chef des MI6, für den der mörderische Kampf gegen Hitler nie den Charakter eines Spiels verliert: »Wir beide werden einen wunderbaren Krieg zusammen haben«, freut er sich einmal. Das zeitlos Zynische dieser Geheimdienstlerhaltung steht allerdings auch für ein System, das sich seiner stillen Heroen ohne Wimpernzucken entledigt.

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