Kritik zu I, Olga

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Die bewusst karge Verfilmung des wahren Falls der Lastwagenfahrerin Olga Hepnarová, die in der Tschechoslowakei 1975 als Massenmörderin verurteilt und später hingerichtet wurde

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Am 10. Juli 1973 fährt in Prag ein Lastwagen in eine Menschenmenge, die arglos auf eine Straßenbahn gewartet hatte. Acht Passanten sterben, zwölf weitere werden zum Teil schwer verletzt. Am Steuer sitzt die 22-jährige Olga Hepnarová, die noch am Tatort verhaftet wird. Sie leistet keinen Widerstand und akzeptiert später vor Gericht auch die Todesstrafe widerspruchslos. Am 12. März 1975 wird sie erhängt. Sie ist die letzte Mörderin, an der in der Tschechoslowakei die Todestrafe vollzogen wird. Vor der Tat schrieb sie einen langen Brief an verschiedene Zeitungen, in dem sie ihre Motive darzulegen versuchte. »Ich bin eine Einzelgängerin«, schrieb sie, »ein zerstörter Mensch. Ein von den Menschen zerstörter Mensch. Ich habe die Wahl, mich zu töten oder andere zu töten. Ich wähle die Rache an denen, die mich hassen. Ich, Olga Hepnarová, das Opfer eurer Bestialität, verurteile sie zum Tode.« Diesem Brief folgt der Film, und er versucht zu zeigen, wie aus einem Mittelstandskind eine Mörderin werden konnte.

In mattgrauen Bildern entfaltet der Film ein freudloses Leben. Als Tochter einer Ärztin und eines Bankangestellten wächst Olga auf, mit 13 versucht sie sich das Leben zu nehmen. Doch noch bevor die Tabletten wirken können, pumpt man ihr den Magen aus und weist sie in die Psychiatrie ein. Kalt wird ihre Mutter gezeichnet, brutal das Umfeld in der Klinik. Im Waschraum wird sie von Mitinsassinnen verprügelt. Während sie sich zu Beginn noch gegen die lesbischen Annäherungsversuche wehrt, ebenso wie gegen das Rauchen, lebt sie später mit Frauen und hält ihre Zigarette etwas linkisch zwischen Daumen und Zeigefinger. Sie bleibt eine Außenseiterin und wird schließlich LKW-Fahrerin. Bis zu dem tragischen Anschlag, den sie sorgfältig plant und vorbereitet. Das Gericht hat trotz ihrer Vorgeschichte keinerlei Zweifel an ihrer Schuldfähigkeit.

Aus dieser Geschichte einen spannenden, unterhaltenden Film zu machen, liegt den Regisseuren Tomáš Weinreb and Petr Kazda fern. Sie hängen einfach Szenen hintereinander, die sperrig sein sollen, auch wenn sie Momente der Verzweiflung zeigen, oder der Liebe und Erotik. Wenige Worte sind hier zu hören, Musik nur, wenn sie durch die Szene motiviert ist. Bei einer Tanzveranstaltung zum Beispiel oder im Radio. Es wird nichts untermalt, nichts ausagiert oder in Gesprächen diskutiert. Die Erklärungen bleiben ebenso aus, wie das Verständnis für die Tat und die Täterin. Man kann nicht begreifen, was zu einer solchen Tat führt. Und diese Hilflosigkeit übernimmt der Film in seine Ästhetik. Es ist anstrengend ihm zu folgen; leicht macht er es dem Zuschauer nicht. Immer wieder möchte man aufgeben, einfach deshalb, weil man merkt, dass man der Figur weder nahe genug kommt, um ihr zu folgen, noch Gründe dafür findet, sie zu verabscheuen. Erst wenn der Film schon lange vorbei ist, merkt man, dass diese Darstellung tiefer geht als erwartet. Und man denkt noch einmal intensiv über eine Strafe durch den Tod nach, darüber, wie beides zusammenhängen kann. Der Mord an der Mörderin bekommt dann eine absurde Größe.

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