Kritik zu Happy Burnout

© Warner Bros. Pictures

Zivilisationskrankheiten und andere Kleinigkeiten: In Andre Erkaus neuer Komödie spielt Wotan Wilke Möhring einen Alt-Punker auf Hartz IV, der sich mit Burnout diagnostizieren und behandeln lässt

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Es ist schon schwierig mit den psychischen Störungen. Soll man sie ernstnehmen? Oder sich über sie lustig machen? Sind es bloß Modediagnosen? Oder doch gravierende Pathologien? Diese Fragen stellt sich »Happy Burnout«, und weil es, wie gesagt, schwierige Fragen sind, beantwortet der Film sie sicherheitshalber alle mit Ja. Seine Haltung changiert zwischen »Ist doch alles nur Spaß« und »Mit sowas ist nicht zu spaßen«, und damit kommt er selbstverständlich nicht durch. Als Komödie lahm, als Drama unglaubwürdig, als Studie über Zivilisationskrankheiten lächerlich, findet André Erkaus »Tragikomödie« nie zu innerer Stringenz. Man könnte sagen, sie tickt nicht richtig.

Im Zentrum steht ein von Wotan Wilke Möhring gespielter Sozialverweigerer. Fussel, wie er sich nennt, lebt von Hartz IV »seit es Hartz IV gibt«, schmarotzt sich durch die Tage, schläft sich durch die Betten der Hamburger Nachbarschaft und klaut auch schon mal einen Hund, um später Finderlohn zu kassieren. Gleich zu Beginn ist klar: Dieser in die Jahre gekommene, weder sonderlich charmante noch charismatische Pseudo-Punk hat den einen oder anderen Schuss nicht gehört. Kaum zu glauben, dass die Dame vom Amt (Victoria Trauttmansdorff) einem wie ihm so hoffnungslos erlegen ist, dass sie seinen antriebslosen Lebenswandel nicht nur deckt, sondern, als eine behördliche Überprüfung vor der Tür steht, ihm auch zur Quasi-Flucht verhilft und ihn zur Burnout-Therapie in eine Klinik schickt.

Statt aufzufliegen, fliegt Fussel also lieber übers Kuckucksnest – wobei sich die Zeiten seit Milos Formans Klassiker mächtig geändert haben. Erkau und sein Autor Gernot Gricksch orientieren sich zwar recht schamlos an dessen Struktur, begnügen sich jedoch mit einer leichtgewichtigen Variation. Die Schwester (Anke Engelke) ist streng, aber im Grunde ganz in Ordnung. Die Chefin (Ulrike Krumbiegel) durchschaut Fussels Simulantenmasche, aber anstatt ihn abzuservieren, engagiert sie ihn allen Ernstes als Hilfspfleger. Und das illustre Patientenhäuflein leidet zwar unter allerlei Symptomen vom Nerven- bis zum Zornausbruch, doch nichts davon ist so schlimm, dass es sich nicht durch ein wenig Fusseltherapie kurieren ließe. Da genügt es schon, wenn die gesamte Truppe in aufblasbaren Plastikkugeln durch den Garten kegelt und mal so richtig Dampf ablässt. Psychologie kann so einfach sein.

Vermutlich hätte »Happy Burnout« funktionieren können, wenn Erkau und Gricksch, die schon bei »Das Leben ist nichts für Feiglinge« zu keiner schlüssigen Tonlage fanden, sich für einen Stil entschieden hätten: entweder die groteske Komödie, die vor keiner Übertreibung haltmacht und voll über die Stränge schlägt (das Hollywood-Modell), oder das tiefsinnige Drama, das auf Authentizität und glaubwürdige Charaktere und dabei auch den Mut zu Schwere und Widersprüchen besitzt (die Arthaus-Version). So aber schüttelt man nur den Kopf über unglaubwürdige Wendungen, alberne Gags und ungelenke Versuche, dem einfältigen Treiben Seriosität einzuhauchen.

Meinung zum Thema

Kommentare

Genauso wie beschrieben. Am Anfang eine lustige Komödie und nach einer halben Stunde schwenkt der Film in ein unglaubwürdiges Drama um. Wer in den Film geht um eine lustigen Abend zu verbringen wird schwer enttäuscht. Wir habe das Drama vorzeitig beendet.

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